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Welcome In! Fulda

Corona beendete viele Begegnungen. Der Verein Welcome In will jedoch die Menschen zusammenbringen. Welche Aufgaben gilt es in der Ausnahmesituation zu bewältigen? Wie gelingt es dem Verein, trotz Abstandsgeboten, sein Ziel zu verfolgen und Nähe zu schaffen?

Normalerweise herrscht im Welcome In Wohnzimmer rege Betriebsamkeit. Aus der Küche ziehen Düfte, aus dem Kinderzimmer hört man Lachen. Die Stimmen der Gäste mischen sich zu einem bunten Wirrwarr von Arabisch, Deutsch, Englisch und Farsi. An den Wänden hängen Einladungen zu zukünftigen Veranstaltungen. Doch heute ist das alles vorbei.

Wer ist im Welcome In?

Welcome In lebt von den Engagierten und Mitarbeitenden. Dazu zählen Ahmad, Ingeborg, Oday, Sarah und Jochen. Sie haben sich mit Leib und Seele dem Verein verschrieben. Jede Person hat ihre speziellen Aufgabengebiete und Projekte, doch sie alle verbindet die Vision eines Ortes der gleichberechtigten Begegnung. Im folgenden Video stellen sie sich vor.

Geschichten aus dem Wohnzimmer

Viele Geschichten wurden bereits im Welcome In erzählt und geschrieben. Ahmad, Ingeborg, Oday, Sarah und Jochen teilen ihre persönlichen Erlebnisse, wie sie den Verein kennengelernt haben und welche Aufgaben sie heute übernehmen.

Ahmad war von Anfang an bei der Planung und auf der Baustelle dabei. Sein Asylantrag war noch nicht bewilligt und als er über einen Freund Welcome In kennenlernte, vertrieb er sich die Wartezeit mit Streichen und dem Bau einer Trennmauer im Wohnzimmer. Sein handwerkliches Geschick hatte er aus Syrien mitgebracht. Später engagierte er sich im Projekt "Trau Dich Deutschland", das die Geschichten von Geflüchteten erzählt. Hierbei wird die Zivilgesellschaft sensibilisiert. Seit Juli 2019 ist Ahmad hauptamtlich im Verein dabei, seit September 2020 als Koordinator des Projekts "Menschen im Austausch". Im Jahr 2021 stellt sich Ahmad zur Wahl als Mitglied des Ausländerbeirats.

"Welcome In hat mich dazugeholt (...) und ich dachte mir, da kann man was Stabiles und Dauerndes draus machen"

Ahmad

Ingeborg kam durch ihr Engagement in der Stadtgruppe Fulda von Amnesty International zu Welcome In. Sie war von Anfang an dabei und begleitete den Verein seit 2009 durch alle Höhen und Tiefen. Heute leitet sie den Stadtteiltreff, in dem die Fuldaer Nachbarschaft zusammenkommen kann. Für Ingeborg ist Welcome In eine Möglichkeit für alle, sich zu engagieren und voneinander zu lernen.

"Es ist niedrigschwellig, junge Menschen und alte, alle sind beteiligt"

Ingeborg

Oday war vor zwei Jahren zum ersten Mal in der Sozialberatung von Welcome In. Nachdem ihm dort unentgeltlich geholfen wurde, wollte Oday etwas zurückgeben und bot einen Arabischkurs an. Besonders bemerkenswert ist für ihn nach wie vor das Ehrenamt, das den Verein trägt. Schließlich sind selbst die Vorsitzenden ehrenamtlich tätig. Jeder Mensch habe hier die Möglichkeit mit seinen Fähigkeiten anderen zu helfen. Seit 2019 ist Oday hauptamtlicher Koordinator des Männerprojekts "MenUnited", das mit Vorurteilen aufräumen will. Er leitet auch das Projekt "Mediencafé", doch er bleibt immer noch seinem ehrenamtlich gebenden Arabischkurs treu.

"Egal, was du anbieten kannst, findest du für dich einen guten Platz (bei Welcome In). Unbedingt!"

Oday

Sarah half schon im Herbst 2016 bei der Renovierung des Wohnzimmers. Sie hatte zufällig von dem Raum für Begegnungen gehört und war sofort Feuer und Flamme. Seit 2018 koordiniert Sarah hauptamtlich die Finanzen und Verwaltung. Besonderen Wert legt sie auf eine Arbeit auf Augenhöhe, unabhängig davon, wie lange jemand sich schon in Deutschland befindet oder wie gut die Kenntnisse der deutschen Sprache sind.

"Ich finde es besonders, dass bei Welcome In ganz viele verschiedene Menschen zusammenkommen (...), die zu einem friedvollen Fulda beitragen wollen"

Sarah

Jochen kam 2012 zuerst ehrenamtlich zu Welcome In. Später war er lange Koordinator des Wohnzimmers und begleitete viele Familiennachzüge, Solidaritätskonzerte, Asyl-Beratungen, Deutsch- und Sportkurse und noch viel mehr. Ein Vorteil des Ehrenamts war für Jochen dabei immer, dass die Angebote unabhängig von Ämtern oder Auflagen angeboten werden können. Seit September 2020 koordiniert er das neue Projekt "Menschen im Austausch". Dabei sollen die Erfahrungen von Welcome In anderen Projekten in der Umgebung zur Verfügung gestellt werden.

"Unser Ziel ist es, diese Menschen als Einzelpersonen auch so wahrzunehmen und nicht über einen Kamm zu scheren"

Jochen

Wie alles begann...

2009 wurde in Fulda ein Ableger der bundesweiten "Save Me"-Kampagne gegründet. Diese wollte die Stadt Fulda zur Aufnahme von Geflüchteten aus europäischen Lagern bewegen. Die Stadtverwaltung stellte sich jedoch größtenteils quer, sodass sich die Gruppe neue Aufgaben suchte. 2015 erfolgte die Umbenennung in "Welcome Initiative", welche 2017 in den Verein Welcome In! Fulda e.V. überging. Nun ging es eher darum, Menschen in Kontakt zu bringen, neu Angekommene Willkommen zu heißen und ihnen den Neustart zu erleichtern.

Das Bild zeigt Helfer*innen von Welcome In bei der Renovierung des Wohnzimmers.

Heute hat der Verein etwa 120 Mitglieder und um die 80 Aktive in verschiedenen Projekten, die sich ehrenamtlich einbringen. Welcome In will offen für alle sein, unabhängig von politischer Einstellung, Sprache, Herkunft und Erfahrungen. Alle sollen hier einen Ort der Begegnung finden.

"Wir wollen nicht Dinge für andere machen, sondern mit ihnen, (...) es geht darum, soziale Beziehungen aufzubauen"

Jochen, Koordinator bei Welcome In

Was ist Welcome In?

Das Ziel von Welcome In ist, Menschen ein gutes Gefühl zu geben. Sie sollen sich wohlfühlen und durch den Verein Kontakte knüpfen können. Aktive bei Welome In wollen sich gegen Vorurteile engagieren und setzen solchen einen Dialog auf Augenhöhe entgegen. Im Video stellen Mitarbeitende und Engagierte den Verein vor.

Die Aufteilung von Welcome In

Die Angebote von Welcome In finden in zwei Räumen statt, die nebeneinander am Rande der Fuldaer Innenstadt liegen. Beide Räume wurden vor Corona regelmäßig genutzt und boten vielen Veranstaltungen Platz. Hier lernen sich Menschen kennen, die sich sonst vielleicht nie begegnen würden. Im Nachfolgenden werden das Studio und das Wohnzimmer vorgestellt.

Das Studio

Im Studio von Welcome In befinden sich die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden. Im großen Seminarraum finden unter anderem Deutschtrainings, Arabischkurse und Nähkurse statt, dort wird auch gemalt. Im Keller gibt es viel Potenzial zu entdecken. Hier wird kreativ Neues geschaffen.

Das Wohnzimmer

Das Wohnzimmer war der erste Raum von Welcome In, hier wird gekocht, gegessen, gesungen und gespielt. Vorträge finden hier statt. Es ist der Ort, an dem Kultur gelebt wird. Hier geht es um geselliges Zusammensein.

Das Antonym der Begegnung: Corona

Das Corona-Virus beeinträchtigte das Leben der Menschen im Jahr 2020/ 2021 massiv. Auch der junge Fuldaer Verein ist betroffen und steht zwischen Abstandsgeboten und der Nähe, die er normalerweise schaffen möchte. Die Ausmaße der Pandemie sind schwer vorauszusehen, man kann kaum planen oder sichere Zusagen machen. Für ein Begegnungszentrum eine Herausforderung, da es schließlich vom Miteinander der Menschen lebt.

Plötzliche Stille kehrt ins Wohnzimmer ein. Begegnungen sind verboten, Veranstaltungen fallen aus. Die Couch bleibt leer.

"Corona war ein Schock!"

Im März 2020 kam für Welcome In die Nachricht, große Veranstaltungen seien in der aktuellen Situation nicht angebracht. Seitdem gab es keine Zusammenkünfte in der realen Welt im großen Stil mehr. Es galt Kraft zu finden, Alternativen zu suchen und neue Formate umzusetzen.

Heute wirken das Wohnzimmer und das Studio seltsam verlassen. Obwohl die Einrichtung noch genauso steht wie vor Corona, will sich die ursprüngliche Gemütlichkeit nicht mehr einstellen. Die vielen Sitzgelegenheiten scheinen ihre Benutzung zu vermissen. Die wenigen Engagierten, die noch ab und an herkommen, um alles in Ordnung zu halten, finden nichts mehr von der gewohnten Lebendigkeit.

Ein Ende aller Aktivitäten?

Die Mitarbeitenden spüren, dass digitale Angebote nicht mit Treffen im realen Leben gleichzusetzen sind. Kontaktbeschränkungen erschweren die gegenseitige Unterstützung enorm und Nähe herzustellen, gestaltet sich äußerst schwierig. Dies merkt der Verein erheblich.

"Persönliche Begegnungen ist eigentlich, was die Menschen wollen."

Sarah, Koordinatorin bei Welcome In

Trend zu Rückzug und Verunsicherung

Seit der Coronakrise haben sich laut Sarah viele Engagierte vom Verein zurückgezogen. Das sei allerdings gut nachvollziehbar. Die Menschen fühlten sich unsicher, wüssten nicht was erlaubt oder verboten sei. Besonders gelte dies für diejenigen, deren Muttersprache nicht Deutsch sei. Ihnen falle es nicht leicht, die sich ständig verändernden Regeln zu verstehen.

Dennoch versucht Welcome In gegen die Vereinsamung zu arbeiten. Im Hintergrundbild sind Ankündigungen von virtuellen Veranstaltungen zu sehen. Unter anderem die "Virtuelle Corona Edition - Live Interviews mit Menschen aus aller Welt".

Möglichkeiten trotz Pandemie

Welcome In bleibt trotzdem dran und versucht die Krise als Horizonterweiterung anzusehen. Um auf dem neuesten Stand zu bleiben, sind digitale Kontaktwege wichtiger denn je. Der Verein sieht das Corona-Virus als eine Chance, die den Prozess der Digitalisierung schneller voranbringen wird. Welcome In legte sich ein Hygienekonzept zurecht und wich bei vielen Angeboten auf die Online-Version aus.

Virtuelle Ausflüge, wenn alle Zuhause bleiben müssen

Reisebeschränkungen wurden als Inspiration gesehen, um nun virtuelle Reisen zu unternehmen. Live-Gespräche mit Menschen aus aller Welt werden organisiert. Gäste berichten von ihren Geschichten oder der Situation in ihrem Land. So kann man die Welt vom Sofa aus entdecken. Ägypten, Jordanien, Syrien, USA, der Libanon und weitere Länder waren in Fulda virtuell zu Gast. Digitale Medien sind jetzt Priorität.

Gemeinsames Kochen digital

Zu den vielfältigen Online-Veranstaltungen zählt auch eine Kochshow. Hierbei lernen die Teilnehmenden verschiedenste Rezepte und Gerichte aus aller Welt kennen. Vor Ort in der Welcome In Wohnzimmer-Küche erklären Kochbegeisterte die einzelnen Schritte des Kochprozesses. Interessierte haben die Möglichkeit, von zu Hause aus mitzumachen und die leckeren Rezepte auszuprobieren.

Außer Kochsendungen hat Welcome In noch weitere Online-Angebote organisiert: Spiele- und Geschichtenabende, Fotoaustausche, Beratungen und noch vieles mehr. Außerdem wurde ein Podcast erstellt, damit sich die Zuhörer von aktuellen Themen berichten lassen können.

Keine Sommerpause trotz Corona

Während der Sommermonate nutzte Welcome In die Lockerungen der Kontaktbeschränkungen. Es gab verschiedene Events an der frischen Luft, damit Menschen etwas zusammen unternehmen und trotz der Lage in Austausch kommen konnten. Sie pflückten gemeinsam Erdbeeren, verschenkten Pflanzen und machten Ausflüge zum Campen in die Rhön oder ins Maislabyrinth.

Zurzeit gelten wieder strengere Regeln. Begegnungen und Aktivitäten werden fast ausschließlich digital durchgeführt. Aber die Arbeit des Vereins läuft weiter. Zurzeit sind die Aktiven mit der Umgestaltung des Kellers beschäftigt. In Zukunft soll er als Aufnahme- und Produktionsort von Videos genutzt werden.

Hoffnungsnachrichten

Somit verfolgt der Verein, trotz Pandemie, seine Ziele und Ambitionen weiterhin. Vieles spricht dafür, dass Welcome In samt Mitarbeitenden und Engagierten aktiv bleiben wird.

Kurz vor Corona ist der Verein durch die Stadt Fulda zum Stadtteiltreff der Fuldaer Innenstadt ausgezeichnet worden und erhält dafür zusätzliche Förderung. Ingeborg leitet den Stadtteiltreff mit der Unterstützung der haupt- und ehrenamtlich Engagierten. Die Auszeichnung des Vereins hat zu mehr Anerkennung, Stabilität und finanzieller Sicherheit geführt. Eine Motivation, trotz aller Schwierigkeiten weiterzumachen.

Im September 2020 hat Welcome In mit der Entwicklung des neuen Projektes “Menschen im Austausch” begonnen. Dabei sollen die vielseitigen Erfahrungen von Welcome In auch außerhalb von Fulda verbreitet werden, damit andere Organisationen von dem Wissen des Vereins profitieren können. Geplant ist, viele Orte in der Region zu besuchen. Aktuell läuft das Projekt bereits online, deswegen ist die fortlaufende Digitalisierung von Vorteil.

Demnach herrscht selbst unter Corona-Bedingungen weiter Betriebsamkeit, wenn auch nur in beschränktem Maße. Trotz der spürbaren Niedergeschlagenheit und Frustration sind zukünftige Ziele und Träume noch lange nicht vom Tisch. Jochen berichtet begeistert von den zwei geplanten Projekten im nachfolgenden Video.

Visionen im Visier

Aber auch die anderen Mitarbeitenden und Engagierten haben ihre Ziele vor Augen. Ahmad möchte weiterhin "die deutsche Kultur kennenlernen" können. Hoffnung trägt auch Oday in sich und setzt darauf, dass trotz des zurückgegangenen Engagements "immer ehrenamtliche Leute dazukommen" werden.

Ingeborg ist es grundsätzlich ein Anliegen den Menschen zu "helfen" und Sarah strebt danach das "Miteinander in Fulda zu verbessern". Jochen möchte, "dass die Menschen respektvoll miteinander umgehen, sich gegenseitig unterstützen und so eine kosmopolitische Vision Realität wird".

Unter normalen Bedingungen finden im Studio Ideen für die Entwicklung eines respektvollen Miteinanders Raum. Auf dem Bild wird etwa ein Kreativwettbewerb abgehalten.

Das Besondere bleibt unvergessen

Die Aktiven und die Mitarbeitenden sind sich sicher, dass Welcome In Corona überleben wird. Denn sie vergessen nicht, was den Verein auszeichnet und betonen seine Besonderheit. Im Video erzählen Sarah, Ahmad, Jochen, Oday und Ingeborg davon, was Welcome In für sie so außergewöhnlich macht.

Ungewisse Aussichten

Die Zukunft des Vereins ist noch lange nicht in Stein gemeißelt. Doch mit den neuen Projekten und Ideen gibt es Hoffnung, dass sich weiterhin Menschen auf Augenhöhe begegnen werden können.

Welcome In selbst könne sowieso nicht voraussehen, was in ein paar Jahren sein wird und bleibt ständig in der Entwicklung. Neben Corona "hängt das sehr davon ab, welche Menschen hier sein werden", so Jochen. Darauf freuten sich jedoch alle Mitarbeitenden, da es "immer einen sehr kreativen Schaffensprozess" bedeute.

Ein Aspekt ist den Mitarbeitenden von Welcome In in all ihrem Tun besonders wichtig. Sie möchten Danke sagen:

"In den letzten Jahren haben viele viele Menschen hier mitgeholfen, (...) und ich hoffe, dass ihr euch immer, wenn ihr hier wieder herkommt, zuhause fühlen werdet und dass ihr wisst, dass ihr hier immer willkommen sein werdet."

Abschiedsworte von Jochen, Koordinator von "Menschen im Austausch"

Autorinnen:

Kristina Strachov

Simone Osterwald

Yana Musiienko

Alle Bilder sind Welcome In vorbehalten und wurden mit Einverständnis des Vereins verwendet, alle Rechte der Videos obliegen den Autoren.

Für weitere Informationen: https://www.welcome-in.org/.

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