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Ästhetische Biografien – Künstlerische Auseinandersetzung mit Opfern des Holocaust Die Arbeiten des Projektkurses Kunst

Im Projektkurs Kunst haben wir uns ein Schuljahr lang mit der künstlerischen Auseinandersetzung im Gedenken und Mahnen an kollektive Erinnerungen beschäftigt. In unseren schriftlichen Projektarbeiten haben wir konkrete Künstlerbeispiele recherchiert, die Biografie eines Opfers des Holocaust gelesen und eine eigene Projektidee entwickelt. Wir haben im Kurs künstlerische Verfremdungstechniken ausprobiert und Perzepte zu Werken wie „Überlebender aus Warschau“, dem Film „Schindlers Liste“ oder dem Holocaust-Mahnmal in Berlin entwickelt. Im Laufe unserer Recherchen und Forschungen sammelten wir gemeinsam spannendes Material zu Kriegerdenkmälern, Mahnmalen, Spielfilmen und Comics über den Holocaust, zu Texten von Adorno, zu Künstler:innen wie Christian Boltanski, Anselm Kiefer, Annette Messager...

Der Kunst-Projektkurs

„Was hält Menschen zusammen und macht sie über Jahrhunderte schlauer? Das Erinnern! Jede Menschengruppe, jede Nation, jedes Kind, jede Firma, jede Generation profitiert von dem, was in den Jahren zuvor erlebt wurde. [...] Erinnern an den Holocaust – Wie steht jeder einzelne von uns zu diesem Thema? Wie wurden Juden verfolgt und wie wurden die Überlebenden bis zum Lebensende von diesen grausamen Bildern geprägt?“

- Justin Jackiewicz

„Erinnerungen – Vergangenes im Gedächtnis behalten. Prägende Ereignisse bleiben einem Menschen oft problemlos im Gedächtnis. Die Erstkommunion, das erste Ferienlager, aber auch traurige Momente wie der Tod des Opas. Es gibt aber nicht nur Erinnerungen an das persönlich Erlebte, sondern an Vergangenes, was einem, z.B. durch Erzählungen, vermittelt wurde. [...] Mit dem Ziel an geschichtliche Ereignisse oder historische Persönlichkeiten zu erinnern, werden oft auch Denkmäler errichtet. Dabei erinnert ein Mahnmal an etwas sehr Grausames, das nicht wieder passieren soll. Genau deshalb ist es wichtig, die Geschichte weiterzutragen und auch das Grausame zu betonen, damit diese Ereignisse und Fehler nicht erneut in die Geschichte eingehen. Wie genau kann an den Holocaust und die vielen Millionen Opfer erinnert werden? Reicht ein Mahnmal, um zu gedenken?“

- Marie Daldrup

„Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: sie hat Gesichter vor Augen und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären,“ sagt Noah Flug, Auschwitz-Überlebender in der Festrede 2010 zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. [...] Erinnerungen sind wichtig, damit unsere Geschichte lebendig bleibt, nicht vergessen wird und uns weiterhin aufmerksam bleiben lässt, damit sich das dunkle Kapitel Deutschlands nie wiederholen kann.

- Clara Entrup

Ich habe mir das Kunstwerk „Mes Ouvrages de Brodereis", von Annette Messager als Anregung genommen, so besteht auch meine Arbeit aus neun quadratischen Bildern, welche in einer 3x3 Anordnung aufgebaut sind. Die Stationen des Lebens von Albertine beginnen oben links in der Ecke und gehen dann einmal im Uhrzeigersinn im Kreis herum. Es startet mit einem Bild von ihr selbst, geht weiter mit ihrem beruflichen und familiären Lebenslauf, führt uns weiter zum Ausbruch ihrer psychischen Erkrankung und es folgen die weiteren Erkrankungen, die NS-Euthanasie, das Vernichtungslager Grafeneck und zuletzt ihr persönlicher Stolperstein. Das Bild in der Mitte besteht aus zwei Worten: „Albertine", welches in Sütterlinschrift, der Schrift aus der Zeit, geschrieben ist und quer dadurch das gestempelte „Aktion T4", ihr Todesurteil.

- Clara Entrup

„Wie immer auch meine Rolle aussehen mochte – einer Sache war ich mir gewiß: Jupp würde niemals das oberste Gebot vergessen, das lautete, Salomon zu schützen, dessen Funke seines Ursprungs weiterglühte und niemals verglimmen.“

Sally Perel

Im Vordergrund meiner Arbeit stand vor allem das Gefühl, welches Perel hatte, als er in seinem Leben die in meinem Projekt dargestellte Szene durchlebte. Ich wollte das bedrückte Gefühl widerspiegeln, welches sich in diesem Moment in ihm ausbreitete. Inhaltlich spiegeln sich in meiner Arbeit die verschiedenen Facetten der Hitlerjugend und Perels Leben in dieser und seinem vorherigen Leben wieder. Mein Projekt soll die Höhen aber auch die Tiefen dieses Lebensabschnitts zeigen. Ich möchte beim Betrachter ein Interesse gegenüber Perels Geschichte wecken, so dass sie sich selbst über diese informieren wollen.

- Luisa Beckmann

Die zwei Schwestern hatten das Konzentrationslager überlebt und wohnten fortan in einem Kinderheim. Da die Hygienebedingungen im Konzentrationslager den Umständen entsprechend schlecht waren, beziehungsweise die Hygiene ein sehr hohes Privileg war, brachten die Mädchen dieses Gedankengut mit in das Kinderheim. So stahlen sie ein Stück Seife und wurden dafür an den Pranger gestellt, wie Schwerverbrecher. Sie mussten mit einem Zettel auf dem Rücken laufen, auf dem in Tschechisch stand: „Du darfst keine Seife stehlen!“ Ein weiteres Mal wurden sie bloßgestellt und entwürdigt. An dieser Erinnerung der beiden bin ich hängen geblieben und habe die Seife zum Zentrum meiner Forschung gemacht. So wurde in den Nürnberger Prozessen die (nicht bewiesene) Vermutung geäußert, dass in den Lagern menschliche Knochen zu Seife verarbeitet wurden und in Israel wurden Überlebende Juden aus Europa als „Sabonim“ = „Seifenstück“ beschimpft.

- Justin Jackiewicz

Doch auch gerade dann, wenn Menschen zwar dieselbe Situation erlebt haben, diese jedoch von anderen Standpunkten betrachten, wird Erinnern interessant. Der Halbkreis, in dem noch alles heil aussieht, soll die vorher heile Welt der Familie Bucci darstellen. Als der Zerfall des Kreises beginnt, fängt auch der Zerfall der Familie durch die Nationalsozialisten an. Die angebrannten Fotos und Dokumente stellen dann die Traumata dar, die die Familie in dieser Zeit erleiden musste.

- Luisa Penger

„Du sollst leben!“

- Sally Perels Mutter zu ihm, als sie ihn und seinen Bruder Isaak flüchten lässt.

Man soll das Gefühl haben, direkt in die Geschichte von Sally Perel einzutauchen und ein Bewusstsein dafür bekommen, wie schwer es für ihn in der damaligen Zeit war, sich selbst nicht zu verlieren und sich selbst treu zu bleiben. Dabei muss man dieses Kunstwerk erst etwas genauer betrachten und sich länger damit beschäftigen, um zu verstehen, was es aussagen will. Ich habe versucht die Darstellung von verblassenden Erinnerungen so umzusetzen, dass man sie in den Nebelschwaden hautnah spüren und im Wirrwarr der hängenden Bilder und Zitate in die Erinnerungen von Sally Perel tauchen kann.

- Marie Schnermann

„Wir wissen, wie schwierig es für Überlebende war, die Kraft und die Worte zu finden, mit denen sie das bleierne Schweigen derjenigen durchbrechen konnten, die für die Konfrontation mit dieser schrecklichen Vergangenheit noch nicht bereit waren.“

- Andra und Tatiana Bucci

Durch meine Installation werden die verschiedenen Zeitabschnitte von den verschieden „Stationen“ im Leben der beiden Schwestern, Andra und Tatiana Bucci, miteinander verknüpft. Die Dokumente, Bilder und Gegenstände der beiden Schwestern stehen für das Leben vor, in und nach Auschwitz. Der Betrachter soll sich in die beiden Schwestern hineinversetzen und ihren Weg verfolgen können.

- Marie Daldrup

„Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch vorbei gehen, einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein.“ „Oh ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich noch nicht kennen, Freude und nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“

- Anne Frank am 05.04.1944

Erinnern ist das Gegenteil von Vergessen. Anne Frank hat mithilfe ihres Tagebuchs wohl sehr gut gezeigt, dass Erinnerungen auch über die Zeit bewahrt werden können. Sie war eine junge Frau mit vielen Träumen und einer positiven Ausstrahlung, trotz der vielen Schicksalsschläge, welche sie miterleben und ertragen musste. Sie war eine Kämpferin, welche sich nicht unterkriegen lassen hat und viele Weisheiten und bewegende Zitate hinterlassen hat. In unserer Installation möchten wir ausdrücken und darauf aufmerksam machen, wie unglaublich stark dieses Mädchen war und wie positiv sie trotz ihrer Situation geblieben ist.

- Ronja Artmann und Sandy Schlage

„Wirst du wieder dazugehören, oder nicht. Heute Abend mein erster Ausflug. Ich habe heute das Gefühl wieder zu Ihnen zu gehören und das macht mich glücklich, Danke!”

- Albertine Hässig - ermordet durch die Nazis

An diesem Satz sind wir in unserer Recherche hängengeblieben. Als erfolgreicher und beliebter Showmaster erhält Hans Rosenthal 1973 den Bambi-Fernsehpreis. Über 30 Jahre nach dem Ende der Judenverfolgung fühlt er sich nun zum ersten Mal wieder als gewollter, richtiger Teil von Deutschland?!! Wie kann man Unrecht und Leid vergessen, wie kann man verzeihen? In der Zeit des Nationalsozialismus war Hans Rosenthal als Jude nicht erwünscht und musste sich als junger Mann verstecken. Als Fernsehmoderator präsentierte er Jahre später seine Show „Dalli Dalli“ und wurde zu einem der beliebtesten Showmaster Deutschlands, hier zeigte er sich und konnte der sein, der er immer schon war. Sein Bruder wurde von den Nazis ermordet, er selbst überlebte im Schrebergarten-Versteck durch die Unterstützung dreier Frauen. Wir haben diesen Gegensatz von Erinnerung an das Versteck und Leben auf der großen Showbühne versucht in unserem Modell umzusetzen.

- Sophie Röttger und Max Terbeck

„Alice legte den Kopf in den Nacken. Gleich, gleich würde sich das Wasser aus der Brause dort oben über sie ergießen. Wasser des Lebens. Es würde sie säubern von dem Schmutz und dem Grauen der Reise, würde sie wieder so rein machen, wie sie vorher gewesen war. Sie hob die Arme und öffnete die Hände“

- „Reise im August“ (Gudrun Pausewang)

Mit meiner Malerei soll die kindliche Naivität in dieser schlimmen Situation beschrieben werden, im Pferdeanhänger soll der Besucher selbst Enge und Dunkelheit erleben. Auch wenn Alice, die 12-jährige Hauptperson, welche sich im Viehwaggon auf der Deportation nach Auschwitz befindet, ihren Großvater auf ihrer Reise sterben sieht und im KZ schließlich vergast wird, selbst eine fiktive Person ist, steht sie repräsentativ für viele andere Kinder, denen es ähnlich oder genauso erging. Aus Respekt, gerade den kindlichen Opfern des Nationalsozialismus gegenüber, ist es wichtig, diese in Erinnerung zu halten und ihnen eine letzte Ehre zu erweisen.

- Victoria Dicke

„Wer seinen katholischen Glauben ernst nahm, stand neben den Juden im gegenseitigen, tödlichen Konflikt mit Hitler.“ – Victor Klemperer, Buch Lingua Tertii Imperii

Ein Haus, viele Erinnerungen. Victor-Klemperers-Haus, auf der einen Seite von Nazis verschandelt, auf der anderen wie neu. Der Platz welcher Herrn Klemperer Sicherheit geboten hat. Damals kaputt und heute voller Erinnerungen.

- Yannis Cetinkaya

Anita Lasker-Wallfisch war Mitglied des Mädchenorchesters in Auschwitz. Während der wohl grausamsten Ereignisse spielte sie Mitten im Lager Musik. Die Diskrepanz zwischen der Grausamkeit des KZs und der schönen Musik ist unbegreiflich, aber stellte zugleich ihre einzige Rettung dar. Mit diesem Projekt habe ich versucht, ein Stück dieser Realität aufzugreifen. Die Ungewissheit über alles, was in der nächsten Sekunde passiert, die Flucht in die Welt der Musik und die Wirkung dieser als Schutzschild, das Grauen auf der anderen Seite – in meiner Klanginstallation versuche ich das nicht Nachvollziehbare in einer Collage zu verdichten.

- Joanne Niessen

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Victoria Dicke
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