Mit göttlicher Hand - Preinerwandplatte / Rax - Sieben Seillängen - Sechster Grad - Recht homogene Schwierigkeit - Sehr gute Absicherung
Schon das ganze letzte Jahr wollte ich diese Tour machen, nur ging es sich irgendwie nie aus und die Schwierigkeit hatte mich auch noch recht geschreckt. Dieses Jahr wollte ich sie dann aber unbedingt machen. Das sollte inzwischen schon gehen ... nur war dann wieder keine Zeit und plötzlich war der Sommer vorbei. Der schöne Herbst blieb bis jetzt auch aus und ich befürchtete schon ich müsste dieses Vorhaben um noch ein Jahr verschieben.
Doch für Samstag 23.09. war ausnahmsweise kein Regen angesagt und mit Edi war auch ein Partner in Crime gefunden der mindestens genauso motiviert war diese Tour zu klettern wie ich ...
... nur das Wetter war, wenn auch kein Regen, nicht sonderlich gut angesagt: max. 5°C, bewölkt und stark windig. Das machte mir doch ein bisschen Sorgen, nachdem es mich letztes Jahr im "Fledermausgrat" so durchgefroren hat ... ach ja, geschneit hatte es auch schon auf der Rax ... schaun wir einmal wie das heute wird ...
Von Preiner Gscheid aus geht es zuerst steil rauf über Skipisten(?) zum Waxriegelhaus und dann über den recht schönen Göbl-Kühn Steig zur Neuen Seehütte. Auf dem Weg bieten sich uns auch die ersten Blicke in die Preinerwand. Zu unserem Glück stellen wir fest, dass kein Schnee in, oder direkt über, der Wand liegt.
Wir bleiben oft stehen und blicken hinüber zur Wand. Der Anblick ist atemberaubend, und die Preinerwandplatte, die wir hoch wollen, ist gut sichtbar. War ich am Vorabend und am Morgen noch etwas nervös ob alles gut gehen wird ist dieses Gefühl jetzt verflogen und es herrscht nur noch Vorfreude.
Nach nicht ganz 1 1/2 h sind wir in der Neuen Seehütte angekommen, trinken erst einmal heißen Tee / Kaffee und ziehen uns noch ein paar Schichten an Gewand an, denn kalt und windig ist es schon, Vorfreude hin oder her.
Und da wollen wir rauf:
Zuerst müssen wir aber den Einstieg finden. Haken sind keine in Sicht , naja für einen 3er auch nicht notwendig, aber die Wand passt zur Beschreibung in der Topo: "Brüchig ist nur eine zarte Umschreibung". Ohne Kraft lässt sich mit dem kleinen Finger die halbe Wand runter bröseln ... da muss man halt ein bisschen vorsichtig greifen und steigen. Aber es sind ja nur ein paar Meter und dann bin ich am ersten Stand und der Rest der Tour ist zum Glück bombenfest.
In der zweiten Seillänge geht die Tour dann richtig los. Eine steile Verschneidung mit abschließendem Überhang. Trotz Socken, dickem Fleece, Jacke und Haube unterm Helm merken wir die Kälte stark und spüren unsere Finger nicht mehr (ich hatte Handschuhe zum sichern, das half etwas, Edi leider nicht). Nicht die besten Voraussetzungen für einen Überhang der fast an unserem Kletterlimit liegt: Der Onsight Durchstieg stirbt in der zweiten Seillänge.
Wir stehen am zweiten Stand, reiben uns wieder etwas Gefühl in die Finger und fragen uns, auch wenn wir es beide nicht aussprechen, ob wir nicht doch abseilen sollen. Zum Glück halten wir beide unseren Mund und klettern weiter. Die dritte Seillänge bietet herrliche Kletterei eine senkrechte graue Wand hoch. Schöne konstante Schwierigkeit, durchgehend fein zu klettern, Leisten und Aufleger aber immer gerade genug zu steigen. Ich vergesse die tauben Finger und fange an zu grinsen. Darum gehe ich klettern, für dieses Gefühl mitten in einer tollen Felswand zu sein. Am Stand angekommen trifft mich sogar ein Sonnenstrahl. Ich funke zu Edi runter, dass er sich schon mal auf diese Seillänge freuen kann und als er bei mir heroben ist grinst er genauso.
Die vierte Seillänge sieht aus als wäre sie mindestens so brüchig wie die erste, überrascht uns aber mit bombenfesten, sehr rauen und kantigem roten Fels (ich habe mich noch nicht getraut meine Jacke auf Löcher zu untersuchen). Das Highlight ist aber ist der Stand am Ende, der am unteren Ende der Platte liegt und die ersten beeindruckenden Blicke in eben diese bietet.
Und so sieht dieser Blick aus:
Die erste Plattenseillänge fängt noch sehr einfach an. Querbankungen in der Platte machen das vorankommen leicht.
Kurz vorm Stand wartet die erste echte Reibungsstelle auf mich. Ich frage mich kurz welche der nicht vorhanden Griffe und Tritte ich nicht nehmen soll und muss wieder lachen. Das Grinsen will seit der dritten Seillänge nicht aus meinem Gesicht weichen. Die Stelle lässt sich dann ganz gut überschleichen und verspricht großes für den Rest der Platte.
In der sechsten Seillänge stellt sich der Fels dann deutlich auf. Es fällt uns fast schon schwer sich aufs klettern zu konzentrieren weil unser Blick immer nach rechts in die Wand gezogen wird. Mit Photos und Worten lassen sich die Gefühle, welche man hat wenn man in dieser Platte steht und sie ansieht, einfach nicht beschreiben. Es ist irgendwie surreal, absolut beeindruckend und lässt mein Klettererherz höher schlagen.
Zum Glück gibt es ein paar Risse die hier durch die Platte führen und es uns erlauben hoch zu kommen. Diese Seillänge war wahrscheinlich die tollste Seillänge die ich bisher klettern durfte. Ich muss der Beschreibung in der Topo wieder zu 100% recht geben: "Ein kurzer Ausflug in den Kletterhimmel". Es ist konstant sehr wenig zu greifen und zu steigen, man muss sich immer zu 100% konzentrieren und voll aufpassen. Die Kletterei überfordert uns nie, aber immer nur ganz knapp nicht. Einfach herrliche, technische Kletterei, gerade so am Limit. Ein absolutes Kletterhighlight!
Die Platte neigt sich nun deutlich stärker, es wird aber nicht einfacher dadurch. Die letzte Seillänge ist Namens-gebend für "Mit göttlicher Hand". Griffe und Tritte fehlen hier auf der gesamten Seillänge und man bewegt sich vorsichtig schleichend mit Handauflegen nach oben.
Irgendwie findet sich aber immer irgendwo eine auch noch so kleine "Delle" im Felsen in der man die Kletterschuhsohlen reinschmieren kann ... zur Not tut es auch eine größere Flechte. Jede noch so minimale Unebenheit reicht aus damit man sich metastabil nach oben schieben kann. Es ist unglaublich an was man alles halt findet. Irgendwann hörten aber leider auch die letzten Unebenheiten auf und ich stehe vor der Schlüsselstelle der letzten Seillänge.
Also ich kenne Sichtbeton der deutlich mehr Griffe und Tritte aufweist als die nächsten Meter über die ich jetzt drüber muss. Im Internet habe ich irgendwo einen Vergleich zwischen dieser Platte und Badfliesen gelesen ... ich glaube die Fliesen in meinem Bad würden mehr Halt bieten. Ich steige und greife einfach auf Hoffnung und versuche voran zu kommen, aber meine Schuhe halten nicht und ich rutsche ins Seil. Mist.
Aber in den Riss daneben ausweichen will ich auch nicht. Nochmal versuche ich es und diesmal finde ich ein winziges Loch in das ich eine halbe Fingerkuppe reinquetschen kann. Das reicht und ich kann meine rutschenden Füße stabilisieren und komme, mit Hilfe ein paar weiterer solcher "Griffe" nach oben.
Oben! Geschafft! Ich stehe am oberen Plattenwand, der Wind pfeift mir um die Ohren und schon bald tut mir die Gesichtsmuskulatur vom dauergrinsen weh. Edi hat genauso viel Spaß wie ich und rutscht auch genauso. Egal. Wir sind beide oben angekommen und irrsinnig euphorisch. Das war eine der allerbesten und schönsten Klettertouren die wir bisher gemacht haben. Uns war kalt, unsere Finger taub und ohne Hänger durchgestiegen sind wir auch nicht aber das ist uns egal, es war einfach herrlich! Und zum rotpunkten kommen wir einfach nochmal, diese Tour klettern wir gerne noch ein zweites mal.
Abschließend gehen wir noch zum Gipfelkreuz der Preinerwand und dann noch auf ein Hirschgulasch in die Neue Seehütte.
Wenn ihr die Chance habt "Mit göttlicher Hand" zu klettern, macht es unbedingt! Eine Tour die in diesem Grad in Ostösterreich ihres gleichen sucht.
- Gabriel