Theodora ist 67 Jahre alt. Ihr Mann hatte sie geschlagen und misshandelt, er hatte getrunken und schließlich das Haus verkauft, als sie noch mit acht kleinen Kindern darin lebte. Sie hat ihm nicht nachgeweint. Aber sie brauchte Hilfe. Erst zog sie zu ihrer Tochter nach São Paulo, dann mit einer anderen Tochter nach Leme. Eine ihrer Töchter hat Lepra, ihr wurde bereits ein Fuß amputiert. Ein Sohn liegt mit Magenbluten im Krankenhaus – er hat wahrscheinlich Krebs. Schon seit längerem klagte er über Schmerzen, aber ein Arztbesuch war nicht finanzierbar. Eine Nichte hatte sich vor einigen Jahren das Leben genommen. Deren vier Kinder werden nun ohne Mutter groß. Ein Neffe ist schizophren und lebt auf der Straße. Im Haus hatten sie ihn nicht unter Kontrolle. Psychiatrische Kliniken gibt es hier nicht. Zumindest nicht für solche Familien aus dem Stadtteil Empyrio.
Dies ist nur eine von vielen Geschichten, die dieser Stadtteil mit Hunderten im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus entstandenen Häusern am Rand von Leme erzählt. Hier leben vor allem Familien, deren Eltern ihre Arbeit auf dem Feld verloren. Diese Arbeit übernehmen jetzt Maschinen. In der Stadt haben sich die Menschen neue Perspektiven erhofft. Und sie wurden enttäuscht. Probleme mit Drogen, Alkohol, Gewalt und fehlender Gesundheit sind die Folge. Menschen wie Theodora und ihrer Tochter Lucycleia versuchen die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel zu helfen. Zum Beispiel, indem sie sie beim Bau von Häusern unterstützen, mit Basispaketen versorgen, die Jugendlichen zu Kursen und Weiterbildungen einladen, Eltern im abendlichen Unterricht alphabetisieren. 2018 gibt es an vier Standorten 60 solcher Kursangebote.
Einmal in der Woche öffnet im sozialen Zentrum der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel des Stadtteils von Bonsucesso die Suppenküche. Dann erhalten Bedürftige etwas zu Essen und ein paar Vorräte für die kommenden Tage.
In ihren mittlerweile vier sozialen Zentren in den Stadtteilen Imperial, Bonsucesso und Quaglia bieten die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel zahlreiche Kurse an. Angebote wie Gymnastik und Gitarren-Unterricht dienen der Entspannung und der Förderung sozialer Kompetenzen. Weiterbildungen wie die zur Hotelfachkraft, Brot backen lernen, Maniküre-Technik oder in der Informatik schaffen berufliche Basisqualifikationen und eröffnen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Möglichkeiten, einen kleinen Nebenerwerb aufzubauen. Beliebt sind auch die Capoeira-Kurse, die den Jugendlichen Selbstvertrauen vermitteln.
Eine wichtige Aufgabe übernehmen die Psychologen. So wie sie arbeiten viele Menschen in den Stadtteilzentren ehrenamtlich mit. In dieser Woche haben sich vier weitere Psychologen gemeldet, um Traumata aufzuarbeiten, Lernschwierigkeiten zu bekämpfen, Konflikte in den Familien zu lösen.
Psychologen helfen Kindern bei ihren Lernschwierigkeiten. Oder sie versuchen mit Hilfe von Stoffmalerei Probleme zu analysieren. Bei einer Rundfahrt lernen Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow, Provinzoberin Schwester Aurora Tenfen und Generalsekretärin Schwester Theresia Lehmeier die Angebote kennen.
Und es gibt Zukunftspläne: Im Stadtteil Empyrio wird das nächste soziale Zentrum der Ordensgemeinschaft eröffnen. Hier haben die Schwestern zwei Parzellen in einem Neubaugebiet gekauft, um einen überdachten Sportplatz zu bauen und Räume für Kursangebote zu schaffen.
Neu ist auch das Projekt "Alternative im Glauben". Studien bewiesen, dass gläubige Menschen im Leben gefestigter seien und seltener vom Weg abkommen, erklärt Sonia Godoy. Studenten des agronomischen Instituts in Leme haben den Garten mit ihrem Seminarleiter angelegt. Straftäter leisten hier für kleinere Delikte Sozialstunden ab.
Am Dienstag beenden Schwester Maria Thoma Dikow und Schwester Theresia Lehmeier ihre Visitiationsreise in Brasilien und fliegen wieder nach Deutschland zurück. Aber die Berichterstattung aus Brasilien ist nicht zu Ende. Unter anderem haben der Fotograf Florian Kopp und Ulrich Bock aus dem Bergkloster Bestwig die Familie der 21-jährigen Janete begleitet. Für eine Reportage im Missionsmagazin kontinente und einen Kurzfilm, der auf smmp.de veröffentlicht wird.
Die Entwicklungshelferin Sabine Stephan (l.) kennt die Familie von Janete schon länger. Der Fotograf Florian Kopp (3.v.r.) und Ulrich Bock (4.v.l.) durften sie vier Tage begleiten. Foto: Florian Kopp
Text und Fotos: SMMP/Ulrich Bock, Abschlussbild: Florian Kopp