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Grenzenlos Literatur 2020

Zur Einstimmung ein paar Zeilen aus dem Blog von Lojze Wieser:

„Es ist die Literatur, die unsere Ängste und Unsicherheiten eindämmt. Es ist die Literatur, die dir das Gefühl für die Zeit wieder gibt. Sie verwandelt Stunden in Minuten und Minuten in Tage. Die dir das Leben in eine Erzählung wandelt. Die dich klüger macht, fluider, charismatischer. Die dich an die Zukunft erinnert. Die dich solidarisiert, sensibilisiert, kristallisiert und sie erleichtert dir die Sprünge ins Unbekannte. Sie ermöglicht dir die Überwindung von Widersprüchen und vom Paradoxen. Sie entflammt das Feuer in dir und revolutioniert dich. Die Literatur kommt Großteils – außer im ebook – zwischen Buchdeckeln daher. Die Literatur macht offen, sie weckt auf und sie macht frei. Wenn du ließt, hast du das Gefühl, mit dir ließt die ganze Welt. Literatur ist Solitär und Solidär. Einsam um Gemeinsam. “Bücher sind unsere Verbündeten”, sagt die spanische Schriftstellerin Irena Vallejo. Sie seien unsere Verbündeten zum Erhalt dessen, was uns am Wertvollsten ist. In Zeiten der Unruhe und Zeiten der Ängste kann Lesen das Instrumentarium zur Erneuerung der Zukunft werden, denn sie seien die Hüter des Wissens. “Späteren Generationen haben sie das Wissen, die Entwicklung und die Visionen vergangener Zivilisationen erhalten”. Und, sie sind empfindlich, die im Internet gefunden wurden.

Hamed Abdel-Samad „Aus Liebe zu Deutschland- ein Warnruf.“

Droemer 2020

Martina Sattmann: "Diesen Titel hat sich der ägyptisch- deutsche Politikwissenschafter und sehr fundiert mit der Geschichte Deutschland beschlagene Autor Hamed Abdel- Samad ein erstaunliches Buch geschrieben. In einer Marcus Lanz- Diskussion warnte er, sich die demokratischen Werte nicht von tradierten Immigrationseinflüssen zerrütten zu lassen, vor allem dort, wo Bildungslücken ohnedies nicht sattelfest mit der eigenen Staatsform zu sein scheinen. Mangelhafte Bildung wird von populistischen Querdenkern genützt- der Clash ist unausweichlich- Übrigens ein Spiegelbestseller. Übrigens hat der Mann auch interessante Vorgängerexemplare produziert. Und ist auf dem Youtube- Kanal zu sehen und zu hören."

RDF Talk - Hamed Abdel-Samad - Aus Liebe zu Deutschland

Julia Andruchowytsch: Der Papierjunge

Residenz 2016

Andreas Pöll: "Der Papierjunge" ist ein Buch wie eine Wunderkammer, es erweckt eine vergangene Epoche zum Leben und erzählt von Verstrickung, Hingabe und Verrat. Stanislau um 1900 ist seit 1962 ukrainisch „Iwano-Frankiwsk (ukrainisch Івано-Франківськ; russisch Ивано-Франковск) ist um 1900 eine galizische Kleinstadt am Rande der Monarchie. Adelja und Stefa, sind miteinander verflochten wie die „Stämme zweier Bäume“, einander stützend, einander die Luft zum Atmen nehmend, wachsen sie gemeinsam auf. Als Adelja den Steinmetz Petro heiratet, wird aus der engen Verstrickung ein Dreieck, aus dem Stefa sich vergeblich zu befreien versucht. Als der Magier Thorn mit seinem Zirkus die Stadt besucht, taucht plötzlich der engelsgleiche Junge Felix in Petros Werkstatt auf – ein kleiner Schlangenmensch, sprachlos, biegsam und brüchig wie Papier. „Der Papierjunge“ bietet mehr als ein dichtes, mit sinnlichen Eindrücken und Details gesättigtes Bild einer Epoche, es ist eine drängend erzählte Geschichte von Liebe und Verrat. Julia Andruchowytsch erzählt mit großer Gelassenheit, über das Leben von Stefa (Stefania Tschornenko) und Andelja in Galizien des Jahres 1900. Stefas seltsamen Beziehung der beiden. Adelja eine deutschstämmige höhere Tochter und deren Mann Petro. Er, Bildhauer mit großem Talent und Selbstbewußtsein. Gemäß der „Phänomen des Geistes“ verweist Julia Andruchowytsch nach Hegel auf das Herr-Knecht-Verhältnis der beiden, ihrem jeweiligen Selbstbewußtsein und daß sie aufeinander angewiesen sind. Nach dem Tode Adeljas Mutter und Stefas Eltern als Folge eines Brandes einiger Häuser nachdem Marmelade gekocht wurde, wuchsen beide Mädels unter der Obhut von Adeljas Vater auf. Adeljas Vater ist der Mediziner Dr. Anger ! Stefa die Adeljas abgelegte Kleider trägt und ihr immer zu Diensten sein mußte fühlte sie sich trotzdem überlegen. Trotz dem Unterschied der beiden herrschte ein schwesterlicher Ton, jedoch eine unverhohlene Aggression und Dankbarkeit an Adeljas Vater. Das Dreieck zwischen Adelja und Pedro mit Stefa erweitert sich um den neuen Pfarrer Pater Josyf und Stefa und der Pfarrersfrau. Nachdem der Zirkus und der Schlangenmensch Felix auftaucht, hat Felix genug vom strengen Regime des Magiers Thorn. Felix wird schlafend in Pedros Werkstatt gefunden und als menschliche Statue gehalten. Felix ist talentiert und gelenkig daß er sich in jede noch so kleine Nische zwängen kann sorgt bald für Unordung. Adelja „adoptiert“ den Jungen als ihren Sohn, infolge kümmert sich Stefa um den Buben. Und nun beginnt Stefa über ihre Zukunft (noch im Schatten der Familie Anger) nachzudenken. „FELIX AUSTRIA“ ist der Titel der Ukrainischen Ausgabe)!Felix gilt als Synonym für das Verhältnis der West-Ukraine in der Habsburger Monarchie und aller Volksgruppen in untergeordneter gesellschaftlicher Stellung. Literatur ist in der Familie Andruchowytsch Family Business! Ihr Vater Jurij ist ukrainisches Aushängeschild und ihr Ehemann Andrij Bondiar ist Blogger, Übersetzer und Autor."

Radiogeschichten "Der Papierjunge". Von Sofia Andruchowytsch

Viola Ardone: Il treno dei bambini

Verlag Einaudi 2019

Alma Tomasi: "Es ist 1946 als Amerigo sein Viertel in Neapel verlässt und mit dem Zug und vielen süditalienischen Kindern die Halbinsel durchreist um einige Monate bei einer Familie aus Norditalien zu verbringen; eine Initiative der kommunistischen Partei um die Kleinen aus der Armut zu entreissen. Amerigo mit der Neugier und Schlauheit seiner 7 Jahren zeigt uns ein Italien das voller Hoffnung sich aufrichtet. Die Trennung von seiner Mutter ist ein grosser Schmerz aber es gibt keinen anderen Weg um Erwachsen zu werden. Sehr zu empfehlen!"

James Baldwin: Nach der Flut das Feuer - The Fire Next Time

DTV 2020

Franz Meister: Als dieses Buch 1963 erschien, war ich drei jahre alt und konnte noch lange nicht lesen. 2020 ist es erneut aufgelegt worden und hat durch den von Polizisten begangenen Mord an James Floyd (I cant breathe) den strukturellen Rassismus in den USA und dessen unüberwundene Geschichte erneut deutlich gemacht. Baldwin verstarb 1983, hat somit die neuesten Ereignisse in Trumps USA nicht miterlebt. Die Beschreibung jener tiefliegenden Hasszustände, die die Staatsmacht rücksichtslos gene jene vorgehen lässt, die auch nur ein wenig mehr dünklere Hautfarbe haben, ist schwer auszuhalten. Man hätte glauben können, dass die Menschenrechtsbewegung Ende der 60er Jahre inzwischen einiges zum Besseren gewendet haben mag. Selbst ein Präsident, wie Obama, konnte nicht überwinden helfen, was sich unter Donald Trump erneut, wohl eher beständig und unwiedersprochen, breit gemacht hat. Black Lives Matter ist die notwendige Antwort auf die Konstante des Rassismus, die nicht länger duldbar ist. Es ist ein wichtiges, ein erneut aktuelles Buch. Auch wenn die Rassisten sich nicht bekehren lassen werden - Leute, die andere Menschen wegen irgendwelcher Unterschiede ablehnen, lesen selten Bücher, die eine Läuterung bewirken könnten. So adressiert es sich an all jene, denen universell geltende Menschenrechte ein Anliegen sind und nicht taub gegenüber den Worten jener sind, die in Worte fassen können, wie Rassismus sich am eigenen Leib anfühlt.

'I can't breathe': George Floyd dies after being detained by Minneapolis police

Joachim Bauer: Warum wir wurden wer wir sind

Verlag: Blessing 2019

Martina Sattmann: "Der Neurowissenschafter erklärt anhand der Spiegelneuronen, was es ausmacht, wie wir von Anderen wahrgenommen werden. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Es ist niemandem egal, angenommen oder abgelehnt zu werden. In Familie, Schule, Arbeitsplatz, sozialem Umfeld. Er nimmt uns an der Hand, schreibt freundlich und leicht verständlich. Ein Beitrag zur Friedenserziehung."

Buchvorstellung und Diskussion mit Joachim Bauer: Wie wir werden, wer wir sind

Kurt Bauer: Die dunklen Jahre

Fischer 2017

Kurt Bauer: Die Jahre 1938-1945 werden vielfältig und detailreich beschrieben. Hervorragend. Einzelne Kapitel sind allerdings aufgrund entsetzlicher Details von Folter und Mord schwer verdaulich.

Katharina Stemberger liest Auszüge aus "Die dunklen Jahre"

Gunther Baumann: Zawinul - Ein Leben aus Jazz

Verlag: Residenz Verlag 2002

Heinz Stipsits: „Ein absolutes MUSS für jeden Jazzfan und natürlich besonders für Zawinul-Fans. Josef Erich ‚Joe‘ Zawinul, geboren 7. Juli 1931 in Wien, aufgewachsen in Wien Erdberg und Oberkirchbach, gestorben 11. September 2007 in Wien, war zweifellos einer der allergrößten Jazz-Musiker des 20. Jahrhunderts, insbesondere war sein Einfluss als WEISSER auf die Musik der Schwarzen eindrucksvoll. Gunther Baumann portraitiert sehr einfühlsam den Weg des jungen Joe von Erdberg bis nach Malibu. Seine Begegnungen mit Friedrich Gulda, Dinah Washington, Wayne Shorter, Miles Davis und vielen anderen Größen des Jazz werden in launigen Interviews, gespickt mit hervorragenden Fotos, sehr authentisch dokumentiert. Gunther Baumann portraitiert sehr einfühlsam den Weg des jungen Joe von Erdberg bis nach Malibu. MERCY MERCY MERCY, Joe vielen Dank für Deine unsterbliche Musik!"

Mercy, mercy, mercy

Peter Bichsel: Kindergeschichten

Suhrkamp 1997

Heinz Stipsits: Sieben kurte absurde Geschichten über merkwürdige, lächerliche Käuze, ist angeblich für Kinder egal ob 7 oder 70 Jahren. Der für uns mitunter nicht so gut nachvollziehbare "Schweizer Humor" kommt nicht zu kurz.

Jella Haase liest „Kindergeschichten“ von Peter Bichsel | Träumen helfen

Paolo Cognetti: Acht Berge

Penguin 2016

Kurt Bauer: "Entwicklungsroman zweier Buben aus unterschiedlichen Milieus, die in einem kleinen Dorf in Norden von Piemont zusammen treffen. Einfühlsam geschrieben, tolle Action, gnadenlos böses Ende. Erinnerte mich unglaublich an Erlebnisse in meiner Jugend in unverfälschten, archaischen Gegenden im Zillertal. Ein phantastisches Buch!"

Paolo Cognetti: a life in the mountains

Daniel Defoe: Die Pest in London

Jung und Jung 2020, Übersetzung Rudolf Schaller Originaltitel aus 1722: A Journal of the Plague Year

Heinz Stipsits: "Leere Straßen, Geisterstadt, Not und Elend, Fallzahlen, Leichensammler, Fake News und auch Lockdown. Die globalen Nachrichten, die uns täglich im Jahr 2020 auf allen News Channels, Social Media, Radioübertragungen begegnen? Weit gefehlt.Als die Pest 1665 -1666 London heimsuchte - bereits zum vierten Mal seit 1347 -1353, sollte es die verheerendste Epidemie auf den Britischen Inseln werden. London glich einem Hexenkessel. Verrückte Quacksalber und gierige Beutelschneider nutzten ungeachtet der puritanischen Sittenstrenge die Gunst der Stunde, um die Not der Menschen in klingende Münze zu verwandeln. Aufzeichnungen belegen, dass Mitte Juli 1665 in London rund 1000 Menschen pro Woche an der Pest starben; im September 1665 waren es 7000 pro Woche. Hysterischer Aberglaube, verheerende Arbeitslosigkeit, Lug und Trug waren die Begleiterscheinungen eines Massensterbens, dem rund 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Daniel Foe, er nannte sich später De Foe, wurde vermutlich um 1660 in London geboren und erlebte als 5-jähriger Knabe diese Pest Epidemie. Seine ersten Lebensjahre wurden gleich von mehreren Katastrophen begleitet. Nach der großen Pest 1665, bei der ein Fünftel der Londoner Bevölkerung starb, ereignete sich 1666 der Große Brand von London und zerstörte 80% der City und machte etwa 100.000 Einwohner obdachlos. Foes Haus und zwei Nachbarhäuser wurden verschont. Durch dieses Ereignis konnte die Pest endgültig gestoppt wurde, weil praktisch alle verseuchten Ratten und Flöhe in den Flammen verbrannten.Defoe, weltberühmt durch seinen Roman Robinson Crusoe, konstru¬iert für das Journal die Perspektive eines erwachsenen Ich-Erzählers. Der Protagonist ist ein junger Kaufmann, der Beobachter und Augenzeuge kritisch sowohl reli¬giös als auch rational denkend ist. Vor allem aber ist er neugierig, was ihn immer wieder aus dem Haus treibt und trotz der Gefahr in der Stadt bleibt und seine Beobachtungen und Erfahrungen den hysterischen Gerüchten entgegensetzt. Aufbauend auf genauen Recherchen, schriftlichen Quellen, vermutlich von seinem Onkel, und Augenzeugenberichten, die Defoe kunstvoll durch Erfahrungen ausschmückte, wurde das Buch wurde über einen längeren Zeitraum für authentisch gehalten, so als sei er selbst dabei gewesen."

„Die Pest zu London“ von Daniel Defoe; Klassiker der Seuchenliteratur; Sigrid Löffler im Gespräch mit Andrea Gerk

Daniel Defoe: Kurze Geschichte der pfälzischen Flüchtlinge

dtv Verlag 2017 Original: A Brief History of the Poor Palatines Refugees, 1709

Heinz Stipsits: "Daniel Defoe publiziert im August 1709 einen Traktat in dem er die Aufnahme von deutschen Flüchtlinge durch England dringend empfiehlt. Tausende Menschen flohen nämlich aus religiösen aber auch aus ökonomischen Gründen aus der Pfalz. Als Pfälzer bezeichnete man alle, die den Rhein bis zur holländischen Küste Fluss abwärts zogen, man nannte sie ‚Poor Palatines‘. Die Versorgung und Ansiedlung der mehr als 11.000 verelendeten Ankömmlinge stellte die britische Regierung vor eine große Herausforderung und stieß eine innenpolitische Debatte und eine Regierungskrise an. Schon einige Jahre davor hatte William Penn geworben um deutsche Siedler nach Pennsylvania zu bringen. Defoe, der selbst ein Urenkel kontinentaler Einwanderer war, sieht in der Aufnahme dieser geschickten Handwerker und Bauern nicht nur einen Vorteil sondern auch eine christliche Ehre für England. Aber natürlich gab es auch sofort Widerstand gegen den Zustrom der Flüchtigen. Fremdenfeindliche Hetze, der Ruf nach Obergrenzen, Kontingentierung, Flüchtlingskolonien werden reklamiert. Kein Bericht aus 2015- 2020, sondern aus 1709."

„The poor Palatines“– oder wie kamen arme Pfälzer 1709 in die Londoner Schlagzeilen?

Rolf Dobelli: Die Kunst des guten Lebens: 52 überraschende Wege zum Glück

Verlag: Piper 2017

Kurt Bauer: "52 Anleitungen, um im Leben etwas glücklicher zu werden."

Rolf Dobelli: Mit klarem Kopf ins Glück? | Sternstunde Philosophie | SRF Kultur

Lisa Eckhart: Omama

Zsolnay 2020

Ilja Fiser: Lisa Eckhart, Kunstfigur, Kabarettistin und jetzt Autorin ist 29 und gewann schon 2015 Poetryslam in Österreich. Sie formuliert originell, geschliffen , vorder- und hintergründig, provokativ, amüsant und zum Nachdenken anregend. In Omama beschreibt sie das Leben ihrer Omama Helga von der Nachkreigszeit bis in die Neuzeit. Abseits von Omamaklischees zeigt sie die Nöte der Besatzungszeit in Österreich in einem kleinen Dorf, dann in Städten und wie sie sich durchschwindelt. Schonungslos nenn sie alles beim Namen und zerrt alles ans Licht, was man gerne verschweigt. Amüsant, hinterfragend und großartig formuliert.

Lisa Eckhart liest aus "Omama"

Christine Eichel: Der empfindsame Titan

Blessing 2019

Kurt Bauer: Sehr interessante Beethoven-Biographie. Toll geschrieben. Viele Details aus dem täglichen Leben.

Christine Eichel liest aus "Der empfindsame Titan"

Beethoven ganz privat | Doku | ARTE

Melisa Erkurt: Generation Haram- warum Schule lernen muss, Allen eine Stimme zu geben

Zsolnay 2020

Martina Sattmann: "Hier wird durch die nicht nur kluge sondern auch mit emotioneller Intelligenz ausgestattete Journalistin und ausgebildete Lehrerin für NMS eine Hintergrundbeleuchtung für Gesetzmäßigkeiten, die Vielen nicht bewusst sind, geboten. Mit ihr zu Ende zu denken, dass es sich um die Jugend handelt, die in Österreich einmal das System erhalten, die Pensionen bezahlen und ohne Zuwanderung einem völlig überalterten Bevölkerungsanteil gegenüberstehen wird, ist die Realität, welche die öffentliche Meinung meist ignoriert. Kindern und Jugendlichen eine Chance zu geben ist die Chance für unseren Staat. Dabei die umständlichen Hürden eines verkrusteten Schulsystem zu überwinden- vielleicht ist ihr Buch, das leicht zu lesen, gut verständlich und aus den Erfahrungen einer Frau, die ihren guten Draht zu den SchülerInnen nützt, um uns mit ihnen zu verbinden, eine Anleitung, den Horizont dahin gehend zu erweitern. Woher sollen wir sonst authentische Informationen erhalten?"

AUDIO: "Generation haram" - Die nie eine Chance hatten (5 Min)

Theodor Fontane: Effi Briest

Erstausgabe 1896; Insel Verlag 6.Auflage 2011

Regina Prachner: "Ein Nachtrag zum vergangenen Fontane-Jahr (1819-1898), ein Klassiker, der wohl keiner Inhaltsangabe bedarf. Mich hat dieses Buch seit meiner frühesten Jugend begleitet, das erste Mal gab es mir meine Mutter zu lesen, als ich ca. 12 Jahre alt war - und es damals überhaupt nicht verstanden habe. Schon alleine die Tatsache, dass dieses junge Mädchen einen alten „Knacker“ heiratete, den sie erst zweimal flüchtig gesehen hatte, war mir völlig unverständlich. Die so dezent angedeutete Ehebruchsgschichte habe ich erst mit Verspätung (beim Auffliegen der Liebesbriefe) mitbekommen und die ganze Geschichte als überaus herzlos und unlogisch empfunden. Später als Fortsetzungsroman (als das dieser Gesellschaftsroman tatsächlich von 1894-1895 in 6 Folgen tatsächlich vorab in der Deutschen Rundschau erschienen ist) gehört im Radio von der unvergleichlichen Marianne Hoppe, dann den wunderschönen Schwarz-weiß-Film (1974) von Rainer Werner Fassbinder mit Hanna Schygulla in der Hauptrolle gesehen, und jedes Mal wieder motiviert, den Roman nochmal zu lesen, zuletzt wieder vor kurzem, zu Fontanes 200. Geburtstag am 30. Dezember 1819. Je öfter ich diesen Roman lese, und je älter ich selbst werde, desto mehr weiß ich ihn zu schätzen. Die feinen, detaillierten Beschreibungen, die Darstellung der Personen und ihres Umfeldes, die ein klares Bild der Gesellschaft der Wilhelminischen Epoche mit ihren starren, einengenden Umgangsformen, den überkommenen Moralvorstellungen, der kargen protestantischen Frömmelei abgeben, sind ein steter Genuss. Auch spart Fontane nicht mit Sozialkritik, die eher hintergründig so nebenbei erscheint (Roswithas tragische Geschichte), Humor blitzt auf, und die „Frage der Ehre“ wird in Frage gestellt. Die unausweichliche Verpflichtung zum Duell aus Gründen der Ehre mit all ihrer Absurdität und Tragik wird dargestellt als Anklage gegen eine Praktik, die allseits nur Leid hervorbringt. Die Parallelen zu Flauberts „Madame Bovary“ und Tolstois „Anna Karenina“ bezüglich der Ehebruchsgeschichte beschäftigen seit jeher die Literaturwissenschaft. Die fatalen (letalen) Folgen der absurden Ehrbegriffe werden von Schnitzler weitergeführt, in „Leutnant Gustl“ (1900), wo es aber nicht um Duellieren, sondern um Selbstmord aus Gründen der Ehre geht, und besonders im „Weiten Land“. Da gibt es Ehebruch von beiden Seiten, und wie die Gesellschaft unterschiedlich damit umgeht, und Duell. Vom „weiten Feld“ des alten Briest zum „Weiten Land“ Schnitzlers ist es nicht – weit!

Rainer Werner Fassbinder: Effi Briest (Film 1974)

Gregor Gatscher-Riedl: Stadtgeschichten von "Triest" - k.u.k sehnsuchtsort und Alt-Österreichs Hafen zur Welt

Kral-Verlag 2020

Andreas Pöll: Gregor Gatscher beschreibt in seinem neuen Buch die Stadtgeschichte von Triest. "Istrien war das magische Dreieck der Monarchie. Zwischen dem venezianischen Muggia und dem Welt-Kurbad Abbazia begegneten einander die unterschiedlichsten Kulturen. Das von der blauen Adria umgebene Istrien ist ein Ankerplatz der Geschichte, an dem unter anderem Kelten, Griechen, Histrier, Römer, Byzantiner, Slawen oder Venezianer Spuren hinterlassen haben. Ab dem Spätmittelalter waren auch die Habsburger in Istrien präsent und haben dem Landstrich eine mitteleuropäische Note hinterlassen. Die Donaumonarchie trägt in Istrien Sommerkleidung und geht mit mediterraner Lebensart eine bis heute anziehende Mischung ein."

Eine Stadt, viele Kulturen: Triest in Norditalien | euromaxx

Karl Markus Gauß: Die unaufhörliche Wanderung

Zsolnay 2020

Franz Meister: "Eine Sammlung von längst in verschiedenen Zeitungen bzw. Magazinen erschienen Texten jenes österreichischen Schriftstelers, dessen Stil herausragend, dessen spitze Feder bedeutend und dessen weitgesteckter Horizont bemerkenswert ist. Da finden sich - wer kann dies schon von sich sagen - zu Papier gebrachte Gedanken an vormalige Gymnasialleher. Wir kennen den Namen dieses Lehrers nicht, doch lernen wir ihn durch die Worte von Gauß schätzen. Oder, um die spitze Feder zu rühmen, ein Text über den Begriff der Demut und wie dieser durch Politiker bis zum höchsten Grad der Verunstaltung entwertet wird. Nein, nicht die Demut ist dahin, sondern es ist Obacht geboten, wenn das Wort neuerdings zu oft und selbstschmeichlerisch in den Mund genommen wird."

Leseprobe

Angelika Hager: Kerls! eine Safari durch die männliche Psyche

Kremayr & Scheriau 2018

Ilja Fiser: Momentaufnahme der Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts, vor allem in Hinblick auf Sexualität, Feminismus und Genderdebatten unter dem Einfluss der Digitalisierung. Die "me too" Thematik verändert das Verhältnis der Geschlechter und führte und führt zu Neujustierungen, deren Folgen noch nicht klar sind. Spannend und lesenswert nicht nur für "Polly Adler"-Fans.

Kamingespräch mit Angelika Hager

Peter Handke: Zdenek Adamec

Suhrkamp 2020

Franz Meister: Ich war ganz neugierig darauf, was Peter Handke mit der historischen Person des Zdenek Adamec in Verbindung gebracht hat, was er uns über die Motive dieser Selbstverbrennung eines Jugendlichen im Jahr 2003 berichten kann. Und ich war tief darüber enttäuscht. was dabei herausgekommen ist. Zdenek Adamec hat sich mit Benzin übergossen und lief dann einige Meter den Wenzelsplatz hinab, bis er nicht mehr weiter konnte und verstarb. Das Motiv seiner Tat ist in Worten schwer zu fassen. Weltschmerz klingt viel zu oberflächlich für die tiefe Verzweiflung, die ihn dazu getrieben haben mag. So etwas erfolgt unschwer spontan, sondern bedarf längerer Überlegung und eines Plans, braucht Material - Benzin - Gedanken über Platz und Zeitpunkt. Es war kein Protest gegen eine Diktatur, aber ein Fanal gegen Umstände, die ihn an ein Weiterleben nicht mehr denken liesen - Selbstverbrennungen sind auch in unseren Tagen wenngleich nicht alltäglich, doch immer wieder sich ereignend. Darüber wissen die Medien nicht viel zu berichten. Der Text Handkes mäandriert nicht den Gründen entgegen, sondern verbleibt auf den oberflächlichen Reflexionen, die diese Tat bei Dritten hinterlassen hat. Kaum einer will tiefergehend ergründen, warum diese Tat erfolgt ist. Das mag zwar die Stimmungslage vieler beschreiben, aber für eine, wenngleich auch nur literarische, Reflexion ist mir selbst dies viel zu wenig. Ein wenig zu empfehlendes Buch, auch wenn von einem Literaturnobelpreisträger verfasst.

Junger Mann verbrannte sich aus Protest gegen den Zustand der Welt

Wolf Harranth: „Das ist eine wunderschöne Wiese“

mit herrlichen Illustrationen von Winfried Opgenoort

Jungbrunnen 1972

Martina Sattmann: "(Hokuspokus in der Nacht, Es ging ein Schneemann durch das Land) zeigt schon für Kinder, was dabei herauskommt, wenn man sich die Natur untertan macht, bis man selbst keine Luft bekommt. Lesenswert für Erwachsene, die aufs Land ziehen und nach und nach ihren gewohnten Komfort unter allen Umständen durchsetzen. So, eigentlich wollte ich was ganz wichtiges schreiben. Aber das schien mir auch wichtig. Schönen Homeoffice- Tag!"

90 Jahre Radio - Vortrag von Wolf Harranth

Yuval Noah Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert

Verlag: C.H.Beck; Auflage: 10 (25. Juli 2019)

Peter Mlczoch: "Der israelische Historiker Harari breitet in weitem Bogen die Gefahren einer von künstlicher Intelligenz und Biotechnologie geprägten Zukunft vor uns aus. Nach dem Wegbrechen alter Ideologien und auch von Religionen sind wir gefordert, zu erkunden, wer wir wirklich sind. Rezepte für ein sinnvolles Leben werden nicht angeboten – außer Selbstbeobachtung durch Meditation."

3Sat Beitrag zu: "21 Lektionen für das 21. Jahrhundert"

Ilse Helbich: Das Haus

Droschl 2009

Reinhard Urban: "...

Ich möchte noch einmal irgendwo fremd sein. Ilse Helbich – Schreiben im Gegenwartszustand

Ilse Helbich: Grenzland Zwischenland

Droschl 2012

Reinhard Urban: "...

Buchbesprechung in Die Zeit (2015)

Paulus Hochgatterer: Der Tag an dem mein Großvatter ein Held war

Deuticke 2017

Alma Culik: Eine Gruppe verschiedener Personen auf einem Bauernhof im Jahr 1945 - vor dem Ende des Weltkrieges und ein enerwartetes "Happy End".

DER TAG, AN DEM MEIN GROßVATER EIN HELD WAR von Paulus Hochgatterer - Trailer zur Vorstellung im Landestheater Niederösterreich

Michael Holzer & Klaus Haselböck: Berg und Sinn im Nachstieg von Viktor Frankl

Bergwelten 2019

Heinz Stipsits: In sieben Kapiteln - von der Mizzi-Langer-Wand bis zur Großen Zinne - wird dem Psychiater und Logotherapeuten auch seines Lebens als Alpinist und Bergsteiger gedacht. Für Freunde der Wiener Hausberge und auch des großen Viktor Frankls.

Viktor Frankl: Zum Sinn klettern

Karel Otto Hrubý: Fotograf, pedagog, teoretik

Verlag: Moravske Galerie v Brne 2017

Nadja Meister: "Die tschechische Photographie ist ausserhalb Tschechiens nur einem kleinen Teil der interessierten Öffentlichkeit bekannt. Einer, den es auch zu entdecken gilt, war Karel Otto Hruby. Aus seiner Hand entstanden nur wenige Monographien, jedoch zahlreiche Bildbände zusammen mit anderen, durchaus auch recht bekannten, Kollegen, wie Vilem Reichmann. Seinen Schwarz-weiß-Arbeiten wohnt ein besonderer Zauber inne, den die Mährische Galerie in Brünn 2017 aus dem Nachlass des Künstlern zu heben begonnen hat."

Fragments of Noir

Esther Kinsky: Hain

Suhrkamp 2019

Alma Culik: Ein Geländeroman - eine Frau reist nach Italien, ferab von Rom, Florenz, etc. angeschiedene Gegenden in unbekanntes Terrain und entlockt jedem Gelände was verborgen ist. Schönheit und Trost.

Esther Kinsky: Hain - Geländeroman

Bohuslav Kokoschka: Ketten in das Meer

Edition Atelier 2016

Kurt Bauer: Der einzige Roman, der authentisch das Leben in Pula bei der k&k Marine beschreibt. Ganz interessant, aber kein unbedingtes Muss-Buch.

Bohuslav Kokoschka: "Ketten in das Meer" - Mehrstimmiger Abgesang auf die Donaumonarchie aus verschiedenen Perspektiven

Johannes Krause: Die Reise der Gene

Verlag: Propypläen 2019

Kurt Bauer: "Die neusten Erkenntnisse der Paläoantropologie. Hochinteressant"

Rassen, Ethnien, Populationen: Gibt es eine Basis für menschliche Gruppenbildung? Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Johannes Krause, Paläogenetiker und Direktor des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte, Jena und Prof. Dr. Veronika Lipphardt, Wissenschaftshistorikerin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Moderation: Prof. John A. Kantara, Wissenschaftsjournalist, Berlin

Ernst Lothar: das Wunder des Überlebens

Zsolnay Verlag 2020

Franz Meister: "Schon als Zsolnay seinen Frühjahrskatalog 2020 angekündigt hat, war mein Interesse an diesem Buch geweckt. nachdem ich „Die Rückkehr“ gelesen hatte. So wollte ich seiner Feder mehr über diesen mann erfahren, der eher einem älterem Publikum, als mir, etwas sagt. Meine Erwartungen wurden erfüllt. In Bescheidenheit beschreibt er sein Wirken und Werden und einige Dinge, die heute vielen etwas zu sagen haben, sind mit seinem Namen verbunden: Die Gründung der Salzburger Feststspiele, die Wiener Messe - ein Produkt der Ersten Republik, wie auch die Wiener Hochschule für Welthandel, aus der die Wiener Wirtschaftsuniversität hervorging. Sein Schaffen hat sich in weiterer Folge aber auf künstlerische Projekte konzentriert, Inszenierungen, zahlreiche Bücher - die heutzutage bestenfalls nur mehr antiquarisch erhältlich sind. Er übernahm das Theater in der Josefstadt - sein Vorgänger war niemand geringer als Otto Preminger -doch nicht lange konnte er dort wirken, denn im März 1938 war es Schluß mit der Kultur in Österreich. Eine abenteuerliche Flucht aus Wien begann. Seine Frau Adrienne Gessner war gleichzeitig auf Tournee in Prag. Es gelingt das Zusammenkommen und über Paris gelingt die Fluchtfortsetzung nach New York. Noch einmal von vorne anfangen: Englisch lernen und sofort anzuwenden versuchen. Buchübersetzungen, Kontakte zu Geflohenen pflegen, Netzwerke aufbauen, das materielle Leben sicherstellen und gleichzeitig Heimweh… Im Buch „Die Rückkehr“ gibt Lothar Zeugnis davon ab, wie wenig Rückkehrer gelitten wurden, wie sehr sie verdächtigt wurden und in Summe, wie alles andere als einfach ein Neubeginn (Wiederaufbau erscheint mir gar das falsche Wort zu sein) nach 1945 in Österreich gewesen sein mag."

Die graue Eminenz des österreichischen Theaters - Dagmar Heißlers Monographie zu Ernst Lothar

Manfred Lütz: Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg

Herder 2020

Kurt Bauer: "Lebensgeschichte, Lebensweisheiten und Erfahrungen des berühmten Altösterreichischen Psychotherapeuten. Sehr berührend, interessant und weise. Viele tiefe Lebensweisheiten."

Otto Kernberg über seine Kindheit im nationalsozialistischen Wien. Im Gespräch mit Manfred Lütz

Josefa Mayer-Priodl: Ameisenzerschneider

Verlag Berger Horn 2014

Andreas Pöll: Mayer-Proidl hat ein berührendes Buch über das Alter geschrieben, frei von Sentimentalitäten und gängigen Klischees. Die Personen wachsen uns ans Herz und bilden ein Panoptikum einer Generation und deren Geschichte. Ganz anders als Martin Walsers "Angstblüte" und doch so ähnlich. Dass beide Bücher fast zeitgleich erscheinen, lässt hoffen, das Verlage (und Autoren) vielleicht nicht nur Jugend, sondern auch das Alter als Thema entdecken.

Prof. Rainer Mausfeld: „Warum schweigen die Lämmer?“

koops 2018

Martina Sattmann: "Im Wortgeschwurbel, wie es Armin Thurnher der Chefredakteur des Wochenmagazins Falter, nennt sind wir allzu bereit, in unser Argumentationsrepertoire zu übernehmen, was uns Mantra- artig wiederholt wird. Wir sind geduldig und übernehmen Wortkreationen, die wir für populär halten, aber durch den Wortschwall den Blick aufs Eigentliche verstellen. Ablenkung durch pompöses Wortgeschwader, untermalt mit Farben und Zelebration verfehlen ihre gewünschte Wirkung nicht. Das Hochfeiern mittels gekaufter Medien per Förderungsanteilen und Inserateschaltung verstärken gewonnene Eindrücke. Beeindrucken ließen sich Menschen immer durch die Auftritte von Populisten. Je mehr gefolgt sind, umso wahrer wurde ihre Botschaft. Versehen mit Auszügen aus Texten von erfahrenen Menschen ist dieses Buch lesenswert, vielleicht ein zweites Mal, um den Zweifeln, die wir haben, Recht zu geben."

Rainer Mausfeld – Warum schweigen die Lämmer? Vortrag im DAI Heidelberg

Cormac McCarthy: Die Abendröte im Westen

rororo 1998, Original: Blood Meridian or The Evening Redness in the West; Random House NY 1985

  • P.S.: Das Buch wurde 2011 bei Grenzenlos Literatur von Helmut Brohs (leider bereits †) erstmals besprochen.
Heinz Stipsits: "Zum Inhalt: Der Roman beginnt im Jahr 1849 und erzählt die Geschichte eines namenlosen Jungen von anfangs vierzehn Jahren, dessen Mutter gestorben ist und der aus seinem verwahrlosten Elternhaus in Tennessee flieht, als Landstreicher Richtung Westen zieht und sich unterwegs der Glanton-Gang, einer Gruppe von ehemaligen Soldaten und Desperados, anschließt. Diese ziehen plan- und ziellos durchs Land von Texas Richtung Mexiko, teils verfolgt und bedroht von Hunger, Durst und Indianern, teils selbst eine Bedrohung für Menschen, die ihnen begegnen, da sie beispielsweise von wehrlosen Indianern, die sie töten, die Skalpe erobern, für die sie von verschiedenen Gouvernements eine Prämie erhalten."
"Buchbesprechung: Ein gnadenloser Roman, Blutrot – nicht nur der Einband. Unglaubliche Grausamkeiten werden eher lakonisch beschrieben, diese ziehen sich wie ein blutroter Faden vom Anfang bis zum Ende des Werks. Der Genozid an der First Nation, ein Thema das in der amerikanischen Literatur gar nicht gerne vorkommt, wird genauso beschrieben wie die entsetzliche Skrupellosigkeit und Entmenschlichung an anderen Ethnien, aber auch unter den Desperados. Auch die Indianer sind natürlich um nichts weniger brutal. Der Roman bricht mit den Vorstellungen vom abenteuerlichen „Wilden Westen“und der kulturellen Leistung seiner Erschließung. Der ziellose Zug durch den Westen der USA und die pure Destruktivität der handelnden Personen kann als eine Metapher auf die Vergeblichkeit und die Fragwürdigkeit aller kultureller Anstrengungen und Leistungen des Menschen gesehen werden."

Reading Blood Meridian | Dr. Dan O'Hara | And So The Judge Returns Workshop

Ian McEwan: Machine like me

Verlag: Jonathan Cape; Auflage: 01 (18. April 2019)

Alma Culik: "Ian McEwan´s interessante Geschichte des Roboters Adam, der von Protagonisten als Gesellschafter, Freund und factotum für 86.000 Pfund gekauft wird und die Entwicklung einer Freundschaft mit ungewöhnlichen Folgen."

Diskussion mit Ian McEwan über Machines Like Me

Sabine Maier & Nadja Meister: Unter einem Himmel - Über Wege und Orte in niederösterreichischetschechischen Regionen

Museumsmanagement Niederösterreich April 2020

aus einer Buchbesprechung: "Österreich, Tschechien. geteilt - getrennt - vereint" war 2009 der Titel einer Niederösterreichischen Landesausstellung. Sie fand 20 Jahre nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs in Horn, Raabs und Telč statt. Seither ist ein weiteres Jahrzehnt vergangen und ein neues Buch über die ehemalige Randzone erschienen. Die Kulturredakteurin Sabine Maier und die Fotografin Nadja Meister dokumentieren den erfreulichen Wandel in ebenso informativen wie originellen Texten und hinreißenden Bildern. 24 Kapitel geben Einblick in fünf Regionen: Südböhmen, Waldviertel, Vysočina, Südmähren und Weinviertel. Durch die jüngere Zeitgeschichte – den Eisernen Vorhang – wurde die Region von 1950 bis 1989 leider komplett durchtrennt. Und damit abgeschnitten von einer über Jahrhunderte reichenden Tradition und gemeinsamen Geschichte. Nun aber versucht man, nicht zuletzt mit Hilfe der EU, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Die Entdeckungsreise "in der Grenzen keine Rolle mehr spielen" beginnt mit der Architektur. So finden sich diesseits und jenseits Sgraffito-Häuser aus dem 16. Jahrhundert. In Gmünd, Weitra, Slavonice und Telč erzählen die Fassaden Geschichten. Der historische Teil der Renaissancestadt Telč samt dem Schloss zählt zum UNESCO-Welterbe. Das besterhaltene Barocktheater der Welt ist ein Teil des Schlosses von Český Krumlov. Die sensationelle Bühnentechnik und der Fundus von 350 Kulissen, 600 Kostümen und 2.400 Requisiten kommen bis heute zum Einsatz. Ein weiteres UNESCO-Welterbe stellt die Kulturlandschaft Lednice-Valtice dar. Das großartige Ensemble war ein Besitz der Fürsten Liechtenstein. Um 1800 stattete Alois I. vier Expeditionen nach Nordamerika aus, die 32.000 Pflanzen- und Samenarten nach Mähren brachten. Der barocke Park wurde zu einem englischen Landschaftsgarten, dessen Gestaltung den Flusslauf der Thaya einbezog und Bauten wie ein Minarett, Tempel, Burgen und ein fast 100 m langes Glashaus mit tropischen Raritäten umfasst. In den letzten Jahren restauriert, sind sie nun ebenso Attraktionen wie die Schlösser selbst. Die romantische Ausstattung der Parks geht großteils auf den Architekten und Erfinder Joseph Hardtmuth zurück, der 1805 bis 1812 als fürstlicher Baudirektor tätig war. Ende des 18. Jahrhunderts hatte er in Wien nach eigenen Erfindungen Steingut und Bleistifte produziert. Seine Söhne verlegten die Bleistiftfabrik Koh-i-Noor, damals die größte der Welt, nach Budweis. Sie besteht nach wie vor in České Budějovice. Ein anderer kreativer und zukunftsweisender Fabrikant war Jakob Christoph Rad. Als Direktor der Zuckerfabrik in Dačice erfand er den Würfelzucker. Kulinarisches fanden die Autorinnen gleichermaßen in Tschechien wie in Niederösterreich. Die Traditiion des Budweiser Biers begann 1265, Weitra war seit 1321 die älteste Braustadt Österreichs. Auch die berühmte Teichlandschaft in Südböhmen und im Waldviertel wurde im 14. Jahrhundert angelegt. 7.000 Teiche in Böhmen und 1.800 im Waldviertel versorgten Mitteleuropa mit Karpfen - und ihre adeligen Besitzer mit Wohlstand. Böhmische Teichbaumeister und Handwerker schufen kilometerlange Kanäle und riesige Wasserflächen. Handwerkskunst und historische Industrie ist das Thema eines eigenen Kapitels. Glas und Steinobjekte aus Gmünd, die Papiermanufaktur in Bad Großpertholz oder die Retzer Windmühle sind Besonderheiten aus Niederösterreich. Der Charme des Alltags begegnet in mehreren Sammlungen beider Länder, in denen Greißlereien, Apotheke, Schule und Spital rekonstruiert wurden. Auch technische Raritäten kann man in verschiedenen Sammlungen sehen. In Ziersdorf wie in Chvalovice-Hatec stehen hunderte "Wurlitzer". Das Bahnwärterhäuschen in České Budějovice erinnert an die einst längste Bahn des Kontinents, die mit Pferdekraft Bier nach Linz und Salz nach Böhmen brachte. In Laa an der Thaya gibt es ein Kutschenmuseum, in Retz eines für Fahrräder, in Znaim und Nová Bystřice Oldtimer Sammlungen. Der Hausindustrie wie den frühen Textilfabriken begegnet man im "Bandlkramerlandl" um Groß-Siegharts und Weitra. Die Archäologie öffnet Fenster in die Vergangenheit. In Dolní Věstonice kam eine Frauenstatuette aus Ton zutage, deren Alter auf 25.000 bis 29.000 Jahre geschätzt wird. Ihr und den Spuren eiszeitlicher Mammutjäger widmet sich der "Archäopark Pavlov". In Eggenburg fanden Johann Krahuletz, in Horn Josef Höbarth ur- und frühgeschichtliche Artefakte und bauten ihnen Museen. In Eggenburg entstand so der erste Museumsbau Niederösterreichs. Andere historische Objekte sind erst später zu Museen geworden. In Žďár nad Sázavou wirkten einst die Zisterzienser. Jetzt ist das "Museum der neuen Generation" eines der modernsten Europas. Mit Hilfe interaktiver Medien erfährt man alles Wissenswerte über die Geschichte des Ortes, des Schlosses und der nahen Wallfahrtskirche Zelená Hora, die seit 1994 zum UNESCO-Welterbe zählt. In Niederösterreich ist das Weinviertler Museumsdorf in Niedersulz, das größte Freilichtmuseum des Landes, Schauplatz zahlreicher Veranstaltungen. Wer sich mehr für die "Hochkultur", Burgen & Schlösser, Künstler und andere Promis interessiert, wird in den Schausammlungen und im vorliegenden Buch bestens bedient. Die überaus interessante und modern gestaltete Publikation behandelt außerdem Naturschönheiten, Unkonventionelles und Skurriles wie Mystische Orte, Kellerwelten oder Verrückte Plätze. Religion & Reformen und Das jüdische Erbe sind weitere Abschnitte übertitelt. Während in Niederösterreich Klöster wie Zwettl oder Altenburg erhalten und in jüngster Zeit beispielgebend restauriert wurden, sind in Böhmen und Mähren viele verlorene Klöster zu beklagen. Sie fielen den Hussitenkriegen und der kommunistischen Regierung zum Opfer, nur einzelne werden jetzt museal genutzt. Anders verhält es sich mit dem jüdischen Erbe, das in Südböhmen, Vysočina und Südmähren auch dank großangelegter Restaurierungs Projekte in einzigartiger Weise präsent ist. Über Zeitgeschichte. Die Stürme des 20. Jahrhunderts liest man: Wie in einem Brennglas spiegeln sich hier die Ereignisse einer stürmischen Epoche wider, deren zentrale Themen Trennung und Öffnung lauteten. Ein eindrucksvolles Beispiel des neuen Miteinander bildet das bilaterale Naturschutzgebiet Thayatal-Podyji. Zwischen der kleinsten Stadt Österreichs, Hardegg, und Čížov bestand bis 1950 eine Brücke, in deren Mitte die Grenze verläuft. Auf der tschechischen Seite wurden alle Bodenbretter entfernt, die Brückenkonstruktion verrostete. Heute verbindet die Brücke die beiden Länder wieder… Sie ist 14 25. April 2020 wieder zum Symbol geworden - aber diesmal zu einem Symbol des Miteinander und der Zusammenarbeit.

Museumsmanagement Niederösterreich

Gregor Mayer Ich ewiges Kind - das Leben des Egon Schiele

Residenz Verlag 2018

Nadja Meister: "Der Titel des Buches ist mehr als missglückt. Das sollte nicht abschrecken. Viele kennen Egon Schieles Werk und sind von seinen hinterlassenen Werken begeistert. Dies ist ein Produkt der letzten Jahrzehnte. Über lange Zeit,war der Name Egon Schiele vielen nicht bekannt. Seine Werke waren billigst zu haben. Zu seinen Lebzeiten noch von ganz wenigen erkannt, durchlebte er keineswegs rosige Zeiten - weder die Kindheit in Tulln, später in Krems bzw. Klosterneuburg, Kein herzliches Verhältnis zu Eltern. Die Geschwister umsorgen sich gegenseitig nach Können und Vermögen. Das schulische Werden ist als nicht gelungen anzusehen. Seine Versuche auf der Akademie, seinem zeichnerischem Drang zu folgen, sind trotz eines Lehrers, der sich der Zeichenkunft aus Vorzeiten verpflichtet fühlte, bemerkenswert. Hier ging einer einen, seinen eigenen Weg. Und dies wird hier beindruckend gut beschrieben. Nicht zu vergessen, die Tücke, die ihn ins Gefängnis in Neulengbach brachte - ein traumatisches Erlebnis - nicht das einzige in seinem Leben.

"Egon Schiele" Doku Österr. 2018 von Herbert Eisenschenk

Antonio Muñoz Molina: TUS PASOS EN LA ESCALERA (Schritte im Flur)

Seix Barral 2019

Regina Prachner: "Antonio Muñoz Molina wurde 1956 in Úbeda, Provinz Jaén, Andalusien geborenAus ärmsten Verhältnissen und – in der Franco-Ära - einer republikanischen Familie stammend, schaffte er dennoch ein Studium der Geographie, Geschichte und Kunstgeschichte und pendelt seit 1990 als Lehrbeauftragter einer amerikanischen Universität und Direktor des Instituto Cervantes in New York zwischen den USA und Madrid, wo er als Kolumnist für so kontroverse Zeitungen wie ABC und El País arbeitet, hin und her.Für seinen “Jinete polaco“ (Der polnische Reiter) erhielt er 1991 den Planeta-Preis, die höchste spanische Literaturauszeichnung. Ich kenne ihn als Autor von Krimis wie z.B. „Plenilunio“ (Die Augen eines Mörders) und vor allem für seine Lissabon-Romane.Als großer Lissabon-Kenner und -Liebhaber hat er gleich drei Romane in dieser wunderschönen Stadt angesiedelt:„Como la sombra que se va“ (Schwindende Schatten), das James Earl Ray, den Mörder Martin Luther Kings, zum Protagonisten hat,„Invierno en Lisboa“ (Winter in Lissabon) – ein, zusammen mit Pascal Merciers „Nachtzug nach Lissabon“ , Klassiker für Lissabon-Reisende und zuletzt „Tus pasos en la escalera“( mangels einer deutschen Ausgabe frei übersetzt von mir „Schritte im Flur“)Ein subtiler Thriller über einen Spanier mittleren Alters, Bruno, der in N.Y. gelebt und gearbeitet hat und nun zusammen mit Cecilia, seiner Frau und engagierten Wissenschaftlerin und Hirnforscherin, in Lissabon ein neues Leben beginnen will. Vor dem Hintergrund der traumatischen Erlebnisse von 9-11, die in Rückblenden immer wieder im Gedächtnis von Bruno aufblitzen, wollen beide in dieser nostalgischen europäischen Stadt ihre Ruhe finden.Bruno ist dabei, mit einer gewissen Unruhe und Angst, nicht rechtzeitig fertig zu werden, den Umzug zu organisieren und die Wohnung in der Altstadt von Lissabon entsprechend der in N.Y. aufgegebenen einzurichten. Sie soll zu Cecilias Eintreffen fertig sein. Diese ist dabei, ihr Forschungsinstitut nach Lissabon zu transferieren und trifft die letzten Vorkehrungen in N.Y..Aber nach ca.- der Hälfte des Buches wird dem Leser langsam klar, dass diese Cecilia nicht und nicht kommt, auch liest man nichts von irgendeiner Kommunikation zwischen den beiden, keine Nachrichten, Telefonate, Mails. Hingegen wird im Detail geschildert, wie minutiös Bruno immer die Ankunft Cecilias nach Kongressen und Vorträgen vorbereitet hat. Jedes Detail musste stimmen, von einer perfekt aufgeräumten Wohnung bis zum rechtzeitig eingekühlten Weißwein und den frischen Blumen am Tisch…Die Leserin beschleicht der Verdacht, dass diese Fürsorge für Cecilia eher eine Belastung darstellen muss, ein Zwang zur Verbindlichkeit, ein Korsett. Auch kommen einem langsam Zweifel, ob es diese Cecilia überhaupt gibt, oder ob sie nur in Brunos Fantasie existiert, ob er sie vielleicht ermordet hat, oder einfach nur erfunden. Er wartet und bereitet alles vor, erfindet Ausreden vor Bekannten, warum sie nicht da ist und zieht sich von Leuten zurück, die ihm zu nahe gerückt sind und denen z.B. auffällt, dass er zwei Gedecke zum Frühstück auflegt, wohl weil Cecilia noch ihren jetlag ausschläft….Parallelen zu Becketts „Warten auf Godot“ oder Buzzatis „In der Tartarenwüste“ drängen sich auf. Parallel dazu wird sehr subtil geschildert, wie sich Brunos Geisteszustand langsam verändert, wie er selber merkt, dass er manchmal nach dem Joggen nicht mehr nach Hause findet, wie er sich mehr und mehr von der Außenwelt abschottet und immer mehr die Unterscheidungskraft verliert, zu erkennen, in welcher Wohnung er sich eigentlich befindet. Aber er ist luzid genug, sich um seinen Hund zu kümmern und Vorkehrungen zu treffen, dass dieser über die Runden kommt, bis er gefunden wird. Als seine Verdrängungsstrategien alle nicht mehr halten, muss sich Bruno qualvoll, aber unvermeidlich, der Realität stellen, die er so verzweifelt ignorieren wollte…. In genau diesem Moment scheint eine neue Frau in sein Leben zu treten, in der er Ähnlichkeiten mit Cecilia zu erkennen glaubt. Ein Hoffnungsschimmer oder Perpetuierung des Grauens und seiner Obsesssionen? Das möge der geneigte Leser selbst entscheiden."

Literaturcocktail. Die Bibliothek | Antonio Muñoz Molina „Die Augen des Mörders“

Regina Strasseger: Inge Morath Grenz.Räume Last Journey

Prestel 2003

Nadja Meister: Die österreichische Fotografin Inge Morath verstarb 2003 im Alter von 79 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus. Inge Morath ist für ihre Künstler-Portraits bekannt geworden. Sie war eine der ersten Frauen, die für die Agentur Magnum fotografierten. 1923 in Graz geboren, in Darmstadt und Berlin aufgewachsen, studierte sie Übersetzerin, arbeitete aber nach dem Zweiten Weltkrieg als Journalistin in Salzburg und Wien. Ihre eigentliche Karriere als Fotografin begann mit einem Zufall. Redaktionen baten Morath von ihren Reportagen auch Bilder mitzubringen. So entdeckte sie ihre Leidenschaft zu diesem Medium. Das Fotografieren lernte sie in London in den 50er Jahren bei Simon Guttmann. Später arbeitete Morath in Paris zunächst unter Pseudonym, wurde Assistentin von Henri Cartier-Bresson. So entstanden ihre Kontakte zur Agentur Magnum. Morath entwickelte ihren eigenen Blick auf Dinge. Über ihre Arbeit sagte sie einst, dass sie ein Auge immer auf das Motiv richte, das zweite auf die Seele. Stets hatte sie ihre Kamera im Gepäck. Die Augenblicke, die sie festhielt, wurden gedruckt, wie sie aufgenommen waren - das war die Philosophie der Magnum-Fotografen. Keine Nachbearbeitung, der Ausschnitt im Sucher war das fertige Bild. Moraths fotografisches Werk reicht von Künstlerporträts wie Marylin Monroe, Jean Cocteau, Paul Satre bis hin zu Reisereportagen aus Spanien, dem Nahen Osten, Russland, China und vielen Regionen Europas. Sie fanden internationale Beachtung. In zweiter Ehe war die Fotografin mit dem amerikanischen Dramatiker Arthur Miller verheiratet, mit dem sie seit 1962 im Bundesstaat Connecticut lebte.

Inge Morath

Joan Moreno: Tausend Seiten Lüge

Verlag: Rowohlt 2019

Ilja Fiser: "Der Spiegel, die renommierte Rechercheplattform des deutschen Sprachraums, war einem notorischen Lügner aufgesessen. Claas Relotius erfand jahrelang Reportagen, die das Kontrollsystem des Spiegels überwanden und ihm zahlreiche Preise eintrugen. Erst Juan Moreno, der gemeinsam mit Relotius eine Reportage bon der US/mexikanischen Grenze erstellte, enthüllte dieses Lügengespinst."

Portrait: Journalist und Schriftsteller Juan Moreno

Baptiste Morizot: Philosophie der Wildnis oder Die Kunst, vom Weg abzukommen

Reclam 2020

Franz Meister: Der Begriff "Wildnis" ist rasch benutzt und doch mehr als unscharf. Kaum gibt es mehr die Orte, die von menschlichen Einflüssen unberührt geblieben sind. Nein es gibt keinen einzigen mehr - zumindest auf dem Planten Erde. Es mag Lokalitäten geben, die bislang kein Mensch betreten haben mag. Doch es gibt keinen Ort auf der Welt mehr, der nicht durch menschliche Einflüsse beeinflusst ist - man denke nur an den Klimawandel, der auf globaler Ebene Prozesse in Gang gesetzt hat, die noch sehr lange wirken werden und die Lebensümstände aller Lebewesen beeinflussen wird - bis hin zu einem dramatischen Anstieg an Artensterben. Morizot führt uns zu einer weiteren Facette des Lebens der Menschen mit der vorfindlichen Natur. Er lernt uns Spurenlesen. Er lernt und in Zusammenhängen zu denken und dise sehen zu lernen. Ein kontemplatives Buch. Sehr empfehlenswert.

Baptiste Morizot: Philosophie der Wildnis

Ingrid Noll: Die Apothekerin

Verlag: Diogenes 1994

Inge Fiser: "Kriminalroman - sehr spannend und subtil. "

Die mörderische Welt der Ingrid Noll Doku (2016)

Connie Palmen: Die Gesetze

Verlag: echomedia 2019

Andreas Pöll: „Marie Derit trifft ab 17 in den folgenden Jahren sieben interessante Männer.“

Ein philosophischer Hurenengel . Buchbesprechung Die Zeit 1993

Anna Pasternak: Lara Die wahre Geschichte hinter Doktor Schiwago

Verlag: BTB 2019

Franz Meister: "Dies ist ein Buch. dass zu einer Vielzahl an Gedanken weiterleitet. Da ist das Leben und das Umfeld des jungen Boris Pasternak, der noch Umgang mit Tolstoj hatte und Klavier bei Skrjabin lernte. Philosophiestudium in Deutschland und ein kurzer Ausflug nach Italien. Das Terrorregime Stalin, dass viele Freunde und Bekannte von Pasternak am Gewissen hat. Da gibt es den Lyriker und Übersetzer Pasternak, der sein Gehalt zur Unterstützung von Freunden und deren hinterbliebenen Frauen spendet. Vortragsabende mit Lyrik, die so begeistert aufgenommen wurden, wie später die Konzerte der Beatles - ein Publikum, dass zum überwiegenden Teil Gedichte auswendig gelernt hat. Das Liebesleben des Boris Pasternak, dass über zwei Frauen zu Olga, der Muse und Inspiration für Lara wurde. Olga, die Frau, die viel opferte um mit Boris Pasternak doch nicht zusammen leben durfte, die zwei Fehlgeburten hatte, die zu einem nicht unwesentlichen Teil dem Regime anzulasten sind. Olga ging zweimal für bzw. wegen Pasternak ins Gefängnis, in den Gulag - weil sich das Regime scheute Pasternak direkt in Haft zu nehmen. Und dann gibt es die nahezu abenteuerliche Geschichte, wie Doktor Schiwago als Buch erscheinen konnte - zuerst in Italien und fast überall auf der Welt. Das Regime, unter der Führung Chrustschows rächt sich mit mit einer Hetzkampagne besonderer Perfidie. Chrustschow attakierte Pasternak persönlich auf einem Parteitag. Jahre später gab er dann zu, Doktor Schiwago damals gar nicht gelesen zu haben.Erst 1988 durfte das Buch in der Sowjetunion erscheinen. Ein Nobelpreis, der nicht angenommen werden durfte… Die Frau, Olga Iwinska, kommt in diesem Buch, dass die Großnichte von Boris Pasternak anhand von allerlei Sekundärliteratur und Quellen aus dem Umfeld von Pasternak und Iwinskaya erstellt hat, möglicherweise zu knapp vor. Aber das ist hier nicht die Sache. Denn dieses Leben beider hatte soo viele Facetten, die in diesem Buch dargestellt werden, sodass es wert ist gelesen zu werden."

ARTE-Dokumentation: Ich lade sie zu meiner Hinrichtung ein - Der Fall Doktor Schiwago

BBC Documentary: The Real Doctor Zhivago (2017)

Erich Maria Remarque: Drei Kameraden

Buchgemeinschaft Donauland 1953

Peter Mlczoch: Drei Kameraden aus dem ersten Weltkrieg betreiben im Berlin der späten zwanziger Jahre eine Autowerkstatt. Ihr Leben ist noch geprägt vom Kriegstrauma und Männerfreundschaft. Robert´s Leben ändert sich mit seiner Liebe zu Pat, die seinem Junggesellendasein zunehmend Sinn gibt. Ihre schwere Lungenkrankheit war damals nicht heilbar und sie stirbt in einem Sanatorium in Roberts Armen. Ein spannendes Buch aus der Zeit des aufkommenden Faschismus...

Drei Kameraden - Roman

Erich Maria Remarque: Liebe Deinen Nächsten

urspr. Kurt Desch (1953?), gelesen in der Lizenzausgabe der Buchgemeinschaft Donauland, Kremayr und Scheriau

Peter Mlczoch: Die Schicksale dreier Personen, die zur Zeit des Nationalsozialismus aus Deutschland quer durch Europa flüchten müssen berühren und reißen mit. Die Rechtlosigkeit von Vertriebenen und deren Strategien zum Überleben lassen sich (glücklicherweise) zwar nicht direkt mit der Situation heutiger Asylwerber vergleichen und doch gibt es frappierende Ähnlichkeiten der damaligen „sans papier“ mit den Menschen, die zu uns flüchten, deren Asylanträge abgelehnt werden und die dann untertauchen. Remarque ist ein genauer Beobachter und seine Sprache „packt“ und lässt einen das Buch nicht aus der Hand legen. Der Roman wurde 1938/39 geschrieben und erschien zunächst auf Englisch und wurde bereits 1941 verfilmt.

Erich Maria Remarque - Gespräch mit Friedrich Luft (1962)

Thomas Ross: Die Untiefen der Donau

Verlag: Karolinger Verlag 2005

Alma Culik: "Thomas Ross, geboren in Berlin, wuchs im Weinwarterhof in Muckendorf auf, ging in Tulln zur Schule und seine Familie war wohlhabend und kultiviert. Der Vater, aus altem schottischem Adel, die Mutter aus dem Ullstein Verlag, führten ein zufriedenes Leben…."

Wikipedia Thomas Ross (Journalist)

Joseph Roth: Der Leviathan und andere Meistererzählungen

Diogenes Verlag, 2010

Heinz Stipsits: "Fünf ausgewählte Meistererzählungen veröffentlicht erstmals zwischen 1934 bis 1938 (die Legende vom heiligen Trinker postum 1939) mit einem Nachruf über Joseph Roth von Stefan Zweig. Die Sehnsucht des Provinz ‚Stationschefs Fallmerayer‘, der zu einer russischen Adeligen in heftiger Liebe entflammt ist, nimmt ein nahezu groteskes absurdes Ende. Wie in den meisten Erzählungen Roths aus den 1930er Jahren steht zumeist der Untergang Österreichs als Metapher für den Verlust von Heimat schlechthin, als Beispiel die Erzählung ‚Die Büste des Kaisers‘ aus 1934. Das Lebensgefühl der galizischen Juden und besonders entwurzelt und verloren zu sein, wird in der Erzählung Der Leviathan 1938 heiter bis traurig dargestellt. Roth transformierte in seinen letzten Lebensjahren die Sehnsucht nach einer Heimkehr in die religiöse Geborgenheit der jüdischen Kultur des Schtetls auch ins Katholische. Das wird grandios in der ‚Legende vom heiligen Trinker‘ dargestellt, wo der von Wundern und Gottesgnade geradezu verfolgte obdachlose Trinker Andreas Kartak im Tod Erlösung und Heimkehr findet. Ein großartiges Buch mit einem ebensolchen Nachruf seines langjährigen Freundes Stefan Zweig."

Der Leviathan – Joseph Roth (Komplettes Hörbuch)

Tiziano Scarpa: Venedig ist ein Fisch

Wagenbach Verlag; 8. Auflage 2019

Heinz Stipsits: "Ein etwas anderer Reiseführer über die Serenissima, eine echte Liebeserklärung von einem echten Venezianer, Tiziano Scarpa. Er wirft viel von dem Bildungsballast, der auf Venedig lastet genauso ins Meer wie die unzähligen Klischees. Ein wunderbares Buch über eine wunderbare Stadt."

Excerpt: From Venice Is a Fish Written by Tiziano Scarpa

Judith Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste

Suhrkamp 2018

Kurt Bauer: "Anhand einiger verschollener oder zugrunde gegangener Dinge, Gebäude oder immaterieller Werke erzählt die Autorin in freier Assoziation Geschichten zu diesen Dingen. Hervorragend geschrieben (Stifter schau oba!)."

Judith Schalansky liest aus "Verzeichnis einiger Verluste"

Gerold Schodterer: Spuren

Eigenverlag 2001

Ilja Fiser: "Die Gedichte von Gerold Schodterer sind sehr einfühlsam und beschäftigen sich mit unserer Existenz und den ewigen Fragen nach dem Sinn unseres Daseins. Er findet Antworten, die sich erst in der Reife des Lebens offenbaren und dem, der es nachfühlen kann, ein beruhigendes Gefühl und eine innere Zufriedenheit vermitteln."

Goldschmiede Schodterer

Robert Seethaler: Der letzte Satz

Hanser 2020

Franz Meister: Seethaler hat bedeutende Texte verfasst, aber dieses Buch gehört nicht dazu. Wer sich auch nur ein wenig mit der Person, dem Musiker, dem Charakter Gustav Mahler beschäftigt hat, kann darüber nur enttäuscht sein, was Seethaler mit dem "Plot" der letzten Reise Mahlers von Amerika zurück nach Wien gemacht hat. Kein Wort über die Musik, kein Wort über die Dirigate, die Personen, mit denen Mahler alles zu tun hatte. Hin und wieder ein paar Bemerkungen über Alma Mahler. Der Rest ist Bla Bla..Irgendwann in der Mitte habe ich einfach aufgehört weiter zu lesen. Dann begann ich einige Mahler-Biographien durchzulesen und stieß auf einen Brief Schönbergs an Mahler aus dem Jahre 1904. Hierin schrieb Schönberg, nachdem er die Generalprobe zur Dritten miterlebt hat: "Ich fühlte das Kämpfen um die Illusionen, ich empfand den Schmerz des Desillusionierten, ich sah böse und gute Kräfte miteinander ringen. Ich sah einen Menschen in qualvoller Bewegtheit nach innerer Harmonie sich abmühen; ich spürte einen Menschen, ein Drama, Wahrheit, rücksichtlsloseste Wahrheit! ". Seethaler sollte sich Mahlers Musik genau anhören. Vielleicht bringt er danach einen besseren Text zustande.

Mahler: Symphony No.9 mvt.4 Adagio Bernstein

Saša Stanišić: Herkunft

Luchterhand 2019

Peter Mlczoch: Autobiographischer Roman zur Familiengeschichte des Autors. Aus der ostbosnischen Stadt Visegrad stammend floh die Familie 1992 wegen des Bosnienkrieges nach Heidelberg, da die Familie mütterlicherseits muslimische Wurzeln hat. Sprachlich eloquent, mitunter kreativ umreisst der das Schicksal einer Flüchtlingsfamilie. Zentrale Figur ist seine Großmutter Kristina, deren Demenz ihrer letzten Lebensjahre Raum für Reales und Phantastisches eröffnet.

Saša Stanišić spricht über sein Buch "Herkunft"

Saša Stanišić: Vor dem Fest

btw 2014

Regina Prachner: "geb. 1978 in Visegrad als Sohn einer Bosnierin und eines Serben (1992 Flucht der Familie nach Heidelberg, seit 2013 deutscher Staatsbürger) erregte Stanišic einiges Aufsehen, als er die Verleihung des Deutschen Buchpreises an ihn zum Anlass nahm, vehement und heftig gegen die kurz zuvor erfolgte Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke zu polemisieren. Vor allem wegen dessen Schrift „Gerechtigkeit für Serbien“, seiner Verurteilung der Luftanschläge der Nato und seiner Rede 2006 zur Beerdigung Slobodan Miloševićs. „Vor dem Fest“ ist ein Dorfroman und spielt in Fürstenfelde, einem fiktiven Ort in der Uckermark, in dem sich die Bevölkerung allmählich an das Leben nach der Wende gewöhnt hat. Dramatis personae sind u.a. der (tote) Fährmann – das Dorf liegt zwischen zwei Seen, die Leiterin des „Hauses der Heimat“ und Hüterin des (Geheim)Archivs, dessen Dokumente nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, zwei Halbstarke (einer davon stumm), ein Hühnerzüchter, der Bürgermeister, ein Beislbesitzer (dort wohl eher „Kneipe“ genannt), eine steinalte Malerin, ein junges Mädchen namens Anna, das beim traditionellen Annenfest geopfert werden soll – und dann doch nicht, ein lebensmüder ehemaliger Offizier, ein altersschwacher Glöckner und sein Adept, der kurz vor der Glöcknerprüfung steht – und eine Füchsin.Das Dorf am Vortag bzw. Vorabend des Annenfestes, das auf eine Tradition bis ins 16. Jahrhundert oder früher zurückgeht. Anscheinend soll dabei am Scheiterhaufen eine Hexe gebrannt haben, oder brennen, geschichtliches und tagesaktuelles werden verknüpft, die Erzählgegenwart mit der Vergangenheit, wobei Stanišić eine Art altertümliche Sprache nachahmt, die aber seine Erfindung ist. Vor dem Fest geschehen einige eigentümliche Dinge: die Malerin malt mitten im der Nacht mit Stirnlampe versehen und im See stehend, Anna hat einen asthmatischen Anfall, zwei ständig reimende Gesellen kommen ihr zu Hilfe, sie ihrerseits hält den lebensmüden Offizier, der sich aus Frust darüber, dass ihm der neumodische Zigarettenautomat keine Zigaretten ausspuckt, das Leben nehmen will, vom Erschießen ab, die Glocken aus dem Glockenturm stehen auf einmal auf einer Wiese, in das Archiv des Hauses der Heimat wird eingebrochen und der Sohn von dessen Hüterin dort eingeschlossen, und die Füchsin wird beim Eierdiebstahl ziemlich lädiert. Doch das Fest findet statt, und Anna wird nicht verbrannt. Seine Diktion hat mich gleich an Wolf Haas erinnert, ein Wolf Haas auf Uckermärkisch sozusagen. Das wurde mir in seiner Biographie bestätigt: Saša Stanišić schrieb seine Magisterarbeit 2004 über Wolf Haas. Originelles Detail am Rande: Bei der Deutsch-Abiturprüfung in Hamburg 2019gab es die Aufgabe, Fragen zu diesem Roman zu beantworten, ihn literaturwissenschaftlich einzuordnen, und ein weiteres Kapitel im Sinne des Autors hinzuzufügen. Saša Stanišić nahm incognito unter einem Frauennamen teil und erreichte 13 von 15 Punkten

Saša Stanišić: Vor dem Fest - Ein Interview nach dem Preis

Lew Tolstoj: Die Kreutzersonate

Verlag: Insel tb; Orig: 1891; Deutsch erst 1922

Heinz Stipsits: "Die Kreutzersonate. Eine Erzählung aus dem Russischen von Arthur Luther, mit Illustrationen von Hugo Steiner-Prag, Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1991 (aktuell: 2008 enthält auch das Nachwort) Bei einer längeren Zugfahrt sprechen Reisende über die Grundbedingung für eine glückliche Ehe, nämlich die Liebe. Diese Ansicht wird vor allem von einer älteren, rauchenden Dame vertreten. Patriarchalische anmutende Ansichten werden jedoch von einem alten Kaufmann rigoros vertreten. Posdnyschews Geschichte beginnt erst nachdem die meisten ausgestiegen sind. Er erzählt, dass er seine Frau aus Eifersucht erdolcht hat und wegen Handelns aus Eifersucht freigesprochen wurde. Nach vielen Jahren der sexuellen Ausschweifung, beschließt er als 30jähriger eine sehr attraktive Frau, die ihn wegen ihrer Sinnlichkeit anzieht, spontan zu heiraten. Nach der Geburt ihres fünften Kindes kann sie aus medizinischen Gründen keine weiteren Kinder bekommen. Als nun dreißigjährige Schönheit widmet sie sich nun ihren persönlichen Neigungen, besonders dem Klavierspiel. Worauf der Ehemann mit krankhafter Eifersucht reagiert, war doch das Gebären und Aufziehen der Kinder in seiner Wahrnehmung die einzige Versicherung gegen die mögliche Untreue seiner Frau. Er vermutet, dass sie jetzt bei dem gemeinsamen Musizieren der KREUTZERSONATE mit dem Geiger Truchatschewskij einen Liebhaber im Hause hat, vergeht vor Eifersucht und verlangt von ihr zu gestehen. Nachdem sie keinen Grund hat etwas zu gestehen was nicht sie nicht getan hat, erdolcht er seine Frau als vermeintliche Ehebrecherin in rasender Eifersucht. Mit dieser Novelle ist Tolstoi ein tiefgreifendes Psychogramm einer zerrütteten Ehe gelungen und gleichzeitig lässt es auch tief sein Inneres blicken, weil doch viele Analogien und Einstellungen zu Ehe, Sexualität und Liebe aus seiner eigenen Biographie erkennbar sind.
Trivia: Ludwig van Beethovens für Klavier und Violine Nr. 9 A-Dur op. 47 entstand 1802 und ist gemeinhin als Kreutzer-Sonate bekannt. Das etwa 40-minütige Werk ist charakterisiert durch Klangfülle (die Violine beginnt mit einem mehrstimmigen Solo), Virtuosität, überraschende Modulationen, weite melodische Bögen und abwechslungsreiche Sätze – vom furiosen ersten Satz über den meditierenden zweiten bis zum jubelnden Finale. Wie alle „Violinsonaten“ von Mozart und Beethoven ist sie „für Pianoforte und Violine“ geschrieben, nicht für „Violine und Klavier“. Ursprünglich war die Sonate dem Geiger George Bridgetower (1779–1860) gewidmet, der das Werk am 24. Mai 1803 mit Beethoven zur Uraufführung brachte. Nach dem Auftritt soll es jedoch wegen eines Mädchens zu einem Streit zwischen beiden gekommen sein, so dass Beethoven die Widmung wieder tilgte. Laut dem Beethoven-Biographen Thayer hat Bridgetower eine Frau beleidigt, die Beethoven wertschätzte, was ihn äußerst erzürnte. So wurde das Werk dem französischen Violinisten Rodolphe Kreutzer (1766–1831) gewidmet. Ironischerweise hat Kreutzer die Sonate nie gespielt und sogar für unspielbar erklärt."

Anne Maria Wehrmeyer (Violine) und Marie Sophie Hauzel (Klavier) aus Bayern gewannen beim zweiten Carl Bechstein Wettbewerb 2015 den 1. Preis in der Altergruppe 3 (14 und 15 Jahre). Beim Preisträgerkonzert am 18.10.2015 spielten sie aus Ludwig van Beethovens Sonate Nr. 9 op. 47

Lew N. Tolstoi: Hadschi Murat

Deutsche Übersetzung von Arthur Luther, Insel Verlag 2000

Heinz Stipsits: "Hadschi Murat ist eine Erzählung von Lew Tolstoi, die in den Jahren 1896–1904 entstand und erst 1912 posthum erschien. Tolstoi verwendete sowohl seine Erfahrungen aus den Jahren 1851- 1852 im Kaukasus, sowie die Erinnerungen des Unterleutnants und späteren Generals Wladimir Alexejewitsch Poltoratzki und des Adjutanten und späteren Grafen Michael Loris-Melikow. Dies ist das letzte Werk Tolstois. Erzählt werden Episoden aus den letzten Lebensmonaten des historisch verbürgten Kämpfers und Muslimführers der Tschetschenen Hadschi Murat gegen die russischen Militärs des Zaren Nikolaus I. von Russland."
"Hintergrund: Tolstoi reiste als junger Mann zu den russischen Truppen im Kaukasus, angezogen von der großartigen Landschaft, den hohen Bergen und den Menschen, die sich in Sprache, Kultur und Lebensweise sehr stark vom Stil der russischen Adeligen unterschied. Mehr als zwei Jahre verbrachte der junge Tolstoi im Land der Tschetschenen und lernte dabei sehr viel über die führenden Persönlichkeiten der Bergvölker. Hadschi Murat ist eine historisch verbürgte Figur, der vorerst gegen die Russen sehr erfolgreich kämpfte, aber Ende 1851 doch zu den Russen überlief. Konflikte innerhalb der Kaukasusführern aber mehr noch die Sorge um seine eigene Familie ließen ihn zu der Zarenarmee überlaufen, das schließlich mit seinem Tod bezahlt wurde. 50 Jahre nach seinem Aufenthalt im Kaukasus versuchte Tolstoi die Geschichte des Hadschi Murat, historisch und biographisch weitgehend korrekt, die Abläufe dieser Zeit zu erzählen. Für Tolstoi bot der Stoff die Möglichkeit, die Ressentiments von Russen gegenüber Kaukasiern zu thematisieren; die muslimische mit der christlich-orthodoxen Kultur in Dialog zu setzen; wie auch eine willkommene Gelegenheit, die Mächtigen seines Landes mit Satire zu überziehen. Es gelingt ihm großartig den kulturellen Unterschied der Bergvölker und der von ihnen gehassten russischen Besatzern darzustellen. Besonders deutlich wird dieser Kultur-Clash in jenem Kapitel wo sich der große Kriegsminister mit dem Zaren über den Muslimen Hadschi Murat als Überläufer und Spion für Russland berät. Allein schon die aufwendige Bürokratie um überhaupt einen Akt auf die Agenda des Zaren zu setzen wird beinahe schon als kabarettistische Einlage satirisch geschildert. Im Gegenzug dazu wird das einfache aber harte Leben der Bergvölker, die in Wahrheit bis heute eigentlich niemals den russischen Besatzern näher kommen konnten oder wollten. Und falls doch wie im Falle Hadschi Murats, dann doch nur aus sehr persönlichen Motiven um der eigenen Familie kurzfristig zu helfen. Tolstois Novelle führt den Leser in eine großartige Landschaft, in der seit der russischen Kolonisation des Kaukasus und dem daraus folgenden 50-jährigen Kaukasuskrieg (1817- 1864) bis heute immer noch ein ungelöstes Problem liegt, aber auch ein mächtiges Pulverfass lodert."

Buchbesprechung Deutschlandfunk: Hadschi Murat. Eine Erzählung aus dem Land der Tschetschenen

Quincy Troupe: Miles Davis - Die Autobiographie

Verlag: W. Heyne; Orig: 1989; Deutsch: 2002

Heinz Stipsits: „Miles Davis (1926 -1991) erzählt seine Lebensgeschichte sehr detailliert und umfangreich dem amerikanischen Journalisten Quincy Troupe, der zwei Jahre vor Miles Tod das Buch im Original unter: ‚Miles and Me‘ veröffentlicht hat. Copyright allerdings lag bei Miles, der immer alles selbst bestimmen wollte. Das Buch ist sehr reich an Namen, besonders von Jazzmusikern, aber auch anderen Künstlern, Schauspielern, Sängern, ein insgesamt zehnseitiges Namensregister beweist dies sehr eindrucksvoll. Natürlich wird sein musikalischer Werdegang von einem gutbürgerlichen Elternhaus in St. Louis, der Aufbruch nach New York, die ersten Auftritte mit Charlie Bird Parker, seine erste eigene Band, Paris –Juliette Greco, Fahrstuhl zum Schafott, seine Drogenprobleme, Krankheiten etc. Weltkarriere, Abstürze, seine Neuentwicklungen im Jazz, Richtungsgeber für viele junge Musiker etc. aufgezeigt. Geschichten von Skandalen, Sex, Drogen und dem täglichen amerikanischen Rassismus werden quasi als Künstlerbeichte, auch mit viel Lamento und Geschwafel, Banalitäten, Lügen und Wahrheiten erzählt, man weiß nicht recht als Leser, wo man sich gerade befindet. Schließlich wird auf 47 Seiten wird eine komplette Discographie, beginnend von 1945 bis zum letzten Livekonzert in Montreux im Juli 1991, mit allen Titeln, Besetzungen, Erscheinungsorten angeführt. Sein wahres Ich, seine Musikalität, seine Besessenheit für schnelle Autos und junge Frauen, sein Machismo zeigt sich aber nicht im Buch, sondern in dem wunderbaren Film: ‚Birth of the Cool‘, der erst im Januar 2020 in den Kinos angelaufen ist."

Birth of the Cool - theatrical trailer

Ljudmilla Ulitzkaja: Die Lügen der Frauen

Verlag: dtv; Orig. 2002; Deutsch 2003

Heinz Stipsits: "In diesem "Episodenroman" mit zeitlich linearer Entwicklung, wird die Veränderung der Haltung der Protagonistin/Erzählerin Shenja auf freundlich ironischer Weise beschrieben. Im Lauf der Episoden wird aus dem naiven Erstaunen über unglaubliche Wahrheiten und sehr glaubhafte Lügen immer mehr ironische Skepsis zu den ‚Tatsachen‘ entwickelt. Sehr berührend die letzte Episode: ‚Die Kunst zu leben‘. Ulitzkaja wurde mit zahlreichen Preisen für ihr Werk außerhalb Russlands geehrt, u.a. auch mit dem Russischen Booker-Preis (russischer Literaturpreis, um das als gefährdet angesehene russische Literaturschaffen zu fördern) aber auch 2014 mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Ihre Aussage über Russland: "Ich kenne kein Land, wo die Situation der Frauen so von Unglück geprägt ist." Immerhin aber ist dieses Unglück der Anlass ihrer Lügen, die von den russischen Frauen aus "ästhetischen" Gründen erzählt werden: Sie lügen sich ihr Leben schön. Ljudmilla Ulitzkaja war im Jahr 2012 an den Protesten gegen Präsident Putin beteiligt. Im Jahr 2014 beklagte sie die „beispiellose Manipulation“ der Öffentlichkeit durch die Propaganda, deren Lügen alle Rekorde brächen. Am 28. April 2016 wurde sie Opfer einer Seljonka-Attacke, ausgeführt von Mitgliedern der ‚Nationalen Befreiungsbewegung‘. Ulitzkaja meinte dazu, dass diese „armen, unglücklichen und manipulierten Idioten“ im Dienste des Kremls stünden."
Trivia: Eine Seljonka-Attacke (russisch зелёнка, Brillantgrün) ist eine Form von Protest, Provokation oder gewalttätigem Angriff auf eine Person, die vorwiegend im Gesicht mit einer grünen Farblösung übergossen wird. In den 2010er Jahren war dies in Russland und der Ukraine weit verbreitet. In der Folge wurde die Seljonka – und die grüne Farbe im Allgemeinen – zum Symbol des politischen Protestes in Russland. Opfer und Einfluss: Die Opfer von Seljonka-Attacken sind in der Regel russische Oppositionelle, darunter Sergei Mitrochin, Michail Kassjanow, Alexei Nawalny, Ljudmila Ulizkaja, Julija Latynina oder ukrainische Politiker (Arsen Awakow, Arsenij Jazenjuk, Oleh Ljaschko).

Buchbesprechungen: Die Lügen der Frauen

Alexander Unzicker: Wenn man weiß, wo der Verstand ist, hat der Tag Struktur (Anleitung zum Selberdenken in verrückten Zeiten)

Westend Verlag 2019

Peter Mlczoch: "Der Physiker, Jurist und Kognitionsforscher Alexander Unzicker analysiert die Herausforderungen für unser Denken im postfaktischen Zeitalter. Er fordert uns auf, unseren Verstand frei zu gebrauchen, Informationen zu hinterfragen und uns bei allen Behauptungen zu fragen: "Cui bono" - wem nützt dies? Die Vielzahl kluger Zitate zum Thema machen das etwas schwer lesbare Buch bemerkenswert."

„Diese schleichenden Entwicklungen sind schlimmer als mancher Skandal“, Alexander Unzicker

Chris Ware: Rusty Brown

Verlag: Pantheon; Auflage: 01 (24. September 2019)

Günter Exel: "Sie nennen ihn den James Joyce der Graphic Novel: Chris Ware hat die Erzählkunst im Comic revolutioniert und stellt dies mit seinem 2019 erschienen Meisterwerk „Rusty Brown“ eindrücklich unter Beweis. Fast 20 Jahre arbeitete er an dieser Graphic Novel, die vier Geschichten von Außenseitern an einem verschneiten Tag im Jahr 1975 in Omaha, Nebraska, beginnen lässt. Neben eine unerschöpfliche zeichnerische Phantasie tritt bei Chris Ware die Poesie des Erzählens über Bilder, Perspektiven und sogar visualisierte Geräusche. Mit stillen, meditativen Zwischentönen deutet er Innenwelten oft nur durch subtile Handlungen in der Außenwelt an. Was von der erzählerischen Attitüde manchmal an Stifter erinnert, sprengt zugleich in seinem zeichnerischen Fluss alle Grenzen des chronologischen Lesens und lädt zum Vor-, Zurück- und Querlesen ein. Eine gefährliche Einstiegsdroge, die Lust auf mehr macht!"

Video: Unboxing - Rusty Bown Chris Ware | Art of Comics Epi 32

John Williams: Nichts als die Nacht

Original: Nothing But the Night; 1948 Swallow Press Denver; Deutschsprachige Ausgabe 2017 dtv Übersetzung Bernhard Robben

Heinz Stipsits: "Nothing But the Night ist das literarische Debüt von John Williams, erschienen 1948. Die kurze Erzählung, die in nicht einmal 24 Stunden eines einzigen Tages spielt, ist eine psychologische Studie über Angst und Verstörung eines jungen Mannes, der von einem Kindheitstrauma sein ganzes späteres Leben nicht mehr loskommt. Obwohl es das Werk eines Zweiundzwanzigjärigen ist, ist es bereits ein packendes und aufrührendes Debüt. Das Werk ist noch nicht so drastisch naturalistisch wie Jahre später ‘Butcher’s Crossing’, aber die Stärke des Romans liegt darin, dass man nicht abstrakt werden muss, um von schwierigsten Seelenzuständen zu erzählen."
"Hintergrund: John Williams, geboren 1922, meldete sich freiwillig zu den US Army Air Forces und wurde als Funker in SO Asien eingesetzt, wo er 22jährig auf einem Erkundungsflug in Burma abgeschossen wurde. Wie durch ein Wunder überlebten nur er und der Pilot, während fünf weitere Crewmitglieder starben. In der nachfolgenden Zeit der Genesung und Erholung in einem Lager im Dschungel entstand sein erstes Buch: Nothing But the Night, das er ohne Erfolg mehreren Verlagen anbot. Schließlich akzeptierte der Verleger, Poet und Universitätsprofessor Allan Swallow (1915–1966) das Buch, obwohl er es ziemlich dreary = trostlos fand und publizierte es 1948 in seinem anspruchsvollen Verlag. Wie von Swallow befürchtet, wurde das Buch ein Misserfolg sowohl beim Publikum als auch in finanzieller Hinsicht und geriet bald in Vergessenheit. Swallow empfahl aber seinem Autor, das Universitätsstudium fortzusetzen, und Williams immatrikulierte nach Kriegsende an der Uni Denver. Dort studierte er englische Literatur und schloss das Studium 1950 mit dem Master of Arts ab. Nach einigen Jahren an der University of Missouri kehrte er 1955 nach Denver als Lektor und Professor für Literatur zurück. Williams Literarisches Werk ist sehr schmal, und zu Lebzeiten war ihm nie ein Erfolg damit beschienen. Sein Erstlingswerk ‚Nothing But the Night‘ hat John Williams später praktisch verleugnet. Erst 12 Jahre später erschien sein zweites Buch, der Roman Butcher’s Crossing – (vorgestellt in Grenzenlos Literatur 2017) und war ebenso erfolglos. Sein dritter Roman mit dem Titel Stoner (ebenso vorgestellt in Grenzenlos Literatur 2017) hat Leben und Karriere eines Professors für Englische Literatur an der University of Missouri zum Thema und erschien 1965. Sein letzter Roman Augustus ist ein historischer Roman über Kaiser Augustus und seine Zeit. Ein fünfter Roman blieb unvollendet. Williams wurde 1985 emeritiert. Er starb 1994 in seinem Haus in Fayetteville in Arkansas. Zu Lebzeiten galt Williams unter Literaturkennern als Geheimtipp, seine großartige literarische Qualität wurde international leider erst posthum erkannt."

Book Review: How Always Alone: Nothing but the Night by John Williams

Lorenza Zambon: Eine kleine Gartenphilosophie

mosaik 2017

Martina Sattmann: Die Mutter, eine Pflanzendiebin, die einfach abschnippelte, was ihr gefiel, um es im eigenen Garten anwachsen zu lassen, sorgte regelmäßig dafür, dass die Tochter genierte. Doch die Liebe und das Verständnis für alles Wachsende, Blühende hatte sie geerbt und sich darüber hinaus für Geschichten interessiert, die dafür sorgen, dass wir nicht komplett verwüsten. Die Kettenreaktion, die Vegetation im Kreislauf bedeutet, wird durch dieses Buch wieder logisch.

Buch EINE KLEINE GARTENPHILOSOPHIE von Lorenza Zambon

Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit

Diogenes Verlag, Orig. 1927

Heinz Stipsitz: "Der Erstausgabe, erschienen in der Insel Bücherei im Jahr 1927 mit der Nr. 165/2 und dem Titelzusatz ‚Fünf historische Miniaturen‘ mit nur fünf Texten, folgten postum 1943 noch weitere neun kurze Novellen. Einige der Miniaturen handeln vom Scheitern –auf höchstem Niveau, sei es der verzweifelte Versuch von Scott den Südpol als erster zu betreten, oder Suters abenteuerliche Entdeckung Eldorados, andere Geschichten beginnen mit heroischen Taten wie die Entdeckung des Pazifischen Ozeans durch Nunez de Balboa und endet doch mit dem Untergang dieses von der Historie fast vergessenen Konquistadors. Beeindruckend in der Marienbader Elegie das zutiefst befremdliche Ansinnen des Geheimrates Goethe als 74 jähriger ein junges Mädchen nicht nur zu hofieren sondern auch den absurden Gedanken an eine Ehe zu verfolgen, aus welcher - Gott sei es gedankt - nichts wurde. Der Dichterfürst jedoch bedachte durch diese Entsagung die Nachwelt dafür mit seiner Marienbader Elegie. Diese 14 Miniaturen sind weder chronologisch geordnet, und stehen auch mit der wissenschaftlichen Geschichtsforschung in keinem Einklang, aber dennoch sind sie wunderbar erzählt."

Stefan Zweig, Wilson versagt, Sternstunden der Menschheit, Sprecher: Jürgen Hentsch

Die Fotos sind dem obig besprochenen Buch"Unter einem Himmel" - Sabine Meier (Text) und Nadja Meister (Foto), hrg. vom Museumsmanagement Niederösterreich 2020 entnommen.

Credits:

Nadja Meister - photography