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Die Kraft im Grün Einheimische Wildkräuter sind Genuss und vitaminreiche Kraftquelle in Einem.

An einem sommerlichen Tag durch die Wälder zu spazieren, ist eine wahre Sinfonie für die Sinne. Viele Wildpflanzen verdienen dabei unsere Aufmerksamkeit, denn sie sind gerade in dieser Jahreszeit besonders reich an wertvollen Inhaltsstoffen. Die nachfolgenden Pflanzenporträts präsentieren acht unverwechselbare Berühmtheiten von Wald und Wiese.

Text und Fotos: Tina Köhler

Der Frühsommer ist der Mozart unter den Jahreszeiten. Die Farben der Wälder und Wiesen, klanglich begleitet von Vogelgezwitscher, Grillenzirpen und Blätterrauschen, lassen uns tief durchatmen und augenblicklich Wohlgefühl in uns entstehen. Bei all dem Naturgenuss laufen wir meist achtlos an vielen Wildpflanzen vorbei, die von Frühling bis Herbst eine gesunde und wohlschmeckende Ergänzung unseres Speiseplans sein können und sich überraschend vielfältig verarbeiten lassen. Sammeln und nachmachen empfohlen!

Die Hauptdarsteller

Spitzwegerich – der Unübersehbare

Der Spitzwegerich hat nichts mit dem spätromantischen Maler Carl Spitzweg zu tun, doch ihn als einen Künstler der Pflanzenwelt zu betrachten, ist durchaus berechtigt. Dass sich seine botanische Bezeichnung in Nachnamen der deutschen Sprache etabliert hat, ist auf sein häufiges Vorkommen zurückzuführen. Bei einem Spaziergang ist dieser markante Vertreter der Wegerichgewächse vorwiegend an Wegrändern in Wäldern und auf natürlichen Wiesen anzutreffen. An seiner Rosette und den lanzettförmigen, schmalen Blättern ist er eindeutig zu erkennen. Einen weiteren Hinweis auf sein dominantes Vorkommen gibt die altgermanische Bezeichnung «wega» für «Weg» und «rīh» für «König», die ihn zum «König des Weges» krönt. Es verbietet sich also, achtlos am Spitzwegerich vorbeizuspazieren!

Wirkung und Verwendung

Der Spitzwegerich wächst vom zeitigen Frühjahr bis zum späten Herbst. Seine Blätter können die ganze Wachstumsperiode hindurch geerntet und sowohl frisch als auch getrocknet verwendet werden. Geschätzt wird der Spitzwegerich in der Pflanzenheilkunde vor allem aufgrund der in den Blättern vorkommenden Gerb-, Bitter- und Schleimstoffe mit reizlindernder Wirkung. Er enthält ausserdem den sekundären Pflanzenstoff Aucubin, der antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften hat. Diese Kombination macht den Spitzwegerich zu einem bewährten Hausmittel gegen Husten und Entzündungen des Mund- und Rachenraums. Durch die hohe Konzentration der Vitamine Zink, Kalium, Vitamin C und B wird der König der Wege zu einem echten Schatz für unser Immunsystem.

Die Blätter des Spitzwegerichs sind in der Küche wegen des champignonähnlichen Aromas beliebt und schmecken köstlich in Salaten, Suppen und Gemüsepfannen. Aus den frischen Blättern lässt sich mit wenigen Zutaten ein haltbarer, pflanzlicher Hustensaft herstellen. Getrocknet eignen sie sich als Tee, der gleichermassen bei Husten und Erkältung zur Anwendung kommt.

Rezept: Pflanzlicher Hustenlöser

Zutaten für zwei Gläser: zwei Hände voll frische Spitzwegerichblätter, zirka 250 Gramm Zucker, eine Zitrone

Zubereitung: Beginnend mit einer Schicht Spitzwegerich abwechselnd Kraut und Zucker in das Glas geben und festdrücken. Mit einer Lage Zucker abschliessen, das Glas verschliessen und an einem dunklen Ort bei gleichmässiger Temperatur stehen lassen. Nach zwei Monaten das Glas langsam im Wasserbad erwärmen, Zitrone und 20 ml kochendes Wasser dazugeben und zwei Stunden ziehen lassen. Zum Schluss die Flüssigkeit durch ein Sieb in ein Schraubglas abgiessen und luftdicht verschliessen.

Sauerampfer – der Erfrischende

Nicht nach dem Aussehen der Blätter, sondern nach seinem Geschmack ist dieser Vertreter der Wiesenkräuter benannt – und das gleich doppelt, denn auch die lateinische Bezeichnung «ampfer» bedeutet übersetzt «sauer». Das ist jedoch kein Grund, ihn auf der nächsten Naturwiese nicht zu probieren, denn der säuerliche Geschmack der Blätter ist erfrischend und kann als Durstlöscher für zwischendurch dienen, wenn auf der Wanderung die Trinkflasche zu früh leer geworden ist.

Auf Wiesen ist er leicht zu erkennen, weil er mit 25 bis 50 Zentimetern Wuchshöhe die anderen Pflanzen meist überragt. Seine länglichen Blätter haben eine dunkelgrüne bis rötliche Färbung, je nach der in den Blättern enthaltenen Menge an Oxalsäure. Die ab Mai sichtbaren Blüten präsentieren sich ebenfalls in einem warmen Orangerot. Wer sich bei der Bestimmung dann noch immer nicht sicher ist, kann schliesslich auf das Fischgrätenmuster an den Blättern achten und im Zweifelsfall einfach probieren, denn der Sauerampfer hat keine giftigen Doppelgänger.

Wirkung und Verwendung

Sauerampfer hat einen hohen Vitamin-C-Gehalt und ist damit natürlich hervorragend für Smoothies, Salate, Kräuterquark oder gekocht als Spinatersatz und in Suppen geeignet. Wie viele Wildpflanzen enthält er ausserdem Bitter- und Gerbstoffe, die als verdauungsfördernd und stoffwechselanregend gelten.

Die Eigenschaften, blutreinigend und entwässernd zu wirken, werden ihm ebenfalls zugeschrieben. Ein Tee aus frischen Sauerampferblättern kann über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen als Kur zur Vitalisierung angewandt werden.

Wird der Anteil an Oxalsäure in den Blättern mit zunehmender Grösse zu hoch, wird die rote Färbung kräftiger, und die Blätter bekommen einen bitteren Geschmack. Sie sind dann weniger gut verträglich. Sauerampfer sollte deshalb im Zeitraum von April bis maximal Mitte Juni gesammelt werden.
Der Sauerampfer ist eines der sieben Kräuter in der berühmten Frankfurter grünen Sauce. Mit ihm zusammen werden Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle und Schnittlauch für das traditionelle Gericht verwendet.

Brennnessel – die Unnahbare

Der Name ist Programm bei dieser Vertreterin der heimischen Wildpflanzenwelt. Die Brennnessel ist aufgrund ihrer Bekanntheit ein echter Star, auch wenn sie nicht von allen geliebt wird. Da die Wirkung ihrer mit Ameisen- und Kieselsäure gefüllten Brennhaare an Blättern und Stängeln unangenehm bis schmerzhaft sein kann, hat der Volksmund unfreundliche Synonyme wie «Saunessel» oder «Donnernessel» für sie erfunden.

Die Brennnessel ist kein Sensibelchen, sondern eher die Unempfindliche unter den Wildpflanzen und wächst an entsprechend vielen Orten, solange ihr der Boden genügend Nährstoffe bietet. An Wald- und Wegrändern ist sie genauso anzutreffen wie in Parkanlagen und Gärten. Sie wächst in der Nähe von Gewässern besonders üppig. Brennnesseln auf unseren Wiesen werden zwischen 30 und 60 Zentimeter hoch. Bei einer guten Nährstoffversorgung können sie jedoch eine erstaunliche Grösse von über zwei Metern erreichen.

Die Blütezeit dauert von Juni bis Oktober, ihre Blüten sind allerdings eher unscheinbar. Brennnesseln sind zweigeschlechtlich, erkennbar an einer unterschiedlichen Wuchsrichtung der Blüten und dem nussartigen Samenstand der Pflanze. Schmetterlinge finden an ihr als Nahrungsquelle grossen Gefallen, und schon aus diesem Grund lohnt es sich, ihr im Garten am besten einen halbschattigen Platz zu reservieren.

Wirkung und Verwendung

Wer einmal weiss, was alles in der Brennnessel steckt, wird sie nie wieder verachten! Sie hat einen hohen Anteil an pflanzlichem Protein und übertrifft damit sogar Sojaprodukte und Hülsenfrüchte. An Vitaminen und Mineralstoffen hat sie gleich eine ganze Palette anzubieten. In nennenswerter Konzentration kommen Vitamin C, Eisen, Magnesium, Kalium und Calcium vor.

Verschiedene rekordverdächtige Wirkungen werden der Brennnessel in der Pflanzenheilkunde bescheinigt, dazu gehören unter anderem ihre harntreibenden und entzündungshemmenden Eigenschaften. Als krampflösendes Mittel bei Verdauungsbeschwerden, zur Entgiftung in Frühjahrskuren und zur allgemeinen Stärkung des Immunsystems wird sie in der Literatur ebenfalls empfohlen.

Die Verwendungsmöglichkeiten der Brennnessel sind vielfältig und können experimentierfreudige Naturentdecker das ganze Jahr hindurch beschäftigen. Die bekanntesten Varianten sind Brennnesseltee aus frischen oder getrockneten Blättern und Brennnesselspinat, der aus den frischen Blättern gekocht oder gedünstet genauso zubereitet werden kann wie kultivierter Spinat. Lohnenswert ist auch die Verarbeitung von Brennnesseln zu Pesto, pflanzlichem Aufstrich oder Suppe. Die nussähnlichen Samen können vom Spätsommer bis zum Herbst geerntet werden und sind sowohl frisch als auch getrocknet eine wertvolle Beigabe für Salate oder in Gewürzmischungen.

PFLANZLICHE PROTEINQUELLE: Aus frischen Brennnesseln lässt sich mühelos und kostenfrei pflanzliches Proteinpulver herstellen. Dafür eignen sich am besten die Samenstände, aber auch getrocknete Blätter können beigemischt werden. Die Samen nach dem Ernten sofort an einem sonnigen Ort oder auf dem Dörrautomaten trocknen, durchsieben und die grüne Proteinkraft als Beigabe in Suppen, Saucen, Salaten oder Smoothies geniessen.

Löwenzahn – der Hartnäckige

Er ist nicht gefährlich, obwohl sein Name so klingt, den er aufgrund seiner gezackten Blätter erhalten hat. Der Löwenzahn bringt mit seinen Blüten schon ab April ein strahlendes Sonnengelb auf unsere Wiesen. Er wächst überall, wo auch Gras wächst – im Flachland wie im Hochgebirge und sogar in Asphaltlücken und in Mauerspalten beweist er seine Hartnäckigkeit.

Gärtner und Landwirte sind aufgrund seiner schnellen Ausbreitung oft nicht gut mit ihm befreundet, obwohl er hübsch anzusehen ist und seine Blüten vielen Insekten als wertvolle Nahrungsquelle dienen. Die Stängel der Blätter und die Blattfasern enthalten einen milchig weissen Saft, der reich an Bitterstoffen ist und den Löwenzahn vor allem als Heilmittel gegen Verdauungsbeschwerden bekannt gemacht hat.

Wirkung und Verwendung

In nennenswerten Mengen enthält der Löwenzahn vor allem in seinen Blättern die Vitamine A, C, E und B1. Aufgrund der enthaltenen Bitterstoffe hat er eine stoffwechselanregende Wirkung und ist damit ein optimaler Helfer gegen Frühjahrsmüdigkeit. Zusätzlich wirkt er unterstützend zur Entgiftung und Entschlackung. Durch seine hohe Konzentration an Vitamin A hat er einen positiven Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Augen, Schleimhäute und der Haut.

Die meisten Verwendungsmöglichkeiten haben die Blätter der Pflanze, deren Gehalt an Bitterstoffen mit der Grösse zunimmt. Sie ähneln im Geschmack den leicht bitteren Blattsalaten wie Chinakohl oder Chicorée und eignen sich hervorragend für Salatvarianten aller Art. Doch auch als Gemüse in Risottos, als Zutat für Wildkräuterpesto oder gemeinsam mit der Brennnessel als Wildspinat ist der Löwenzahn in der Kräuterküche beliebt. Grosse Blätter können, ähnlich wie Weinblätter, zum Einrollen für Reis, Gemüse oder Fleisch verwendet werden.

Getrocknet können Löwenzahnblätter als Verdauungstee zur Anwendung kommen, der als Kur über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen getrunken wird. Die gelben Blüten dagegen eignen sich bestens für den süssen Genuss zwischendurch, denn aus ihnen lässt sich mit wenigen Zutaten Marmelade oder Löwenzahnsirup herstellen.

Im abgeblühten Zustand erfreut der Löwenzahn als Pusteblume Kinderherzen und Erwachsene, die auf sommerlichen Wiesen gerne wieder zum Kind werden.

So süss wie Honig:

Ein einfaches Rezept für Löwenzahnsirup: Eine grosse Schüssel frischer Blüten mit einer ungeschälten Bio-Orange in einem Liter Wasser zehn Minuten aufkochen. Flüssigkeit einen Tag lang abgedeckt bei Zimmertemperatur stehen lassen. Flüssigkeit durch ein Sieb oder Leintuch abgiessen und die Blütenmasse ausdrücken. Saft einer Zitrone und 350 Gramm Rohrzucker oder alternativ 12 EL Agavendicksaft dazugeben. Unter Rühren kurz aufkochen und heiss abfüllen.

Gänseblümchen – die Unterschätzte

Erkennbar an der kleinen gelben Blütenmitte und den weissen Blütenblättern, verbreiten sich Gänseblümchen schnell und wirken auf Wiesen und in Gärten wie schmückende Teppiche.

Diese kleine Vertreterin der Wildpflanzen hat – im Vergleich zu ihrem botanischen Verwandten Löwenzahn – keinen so stolzen Namen abbekommen. Bis zum 18. Jahrhundert war das anders, und sie wurde liebevoll Marienblümlein oder Tausendschön genannt, bis ihr der pragmatische Name deshalb zugeteilt wurde, weil auch die Hausgänse Gefallen an ihr finden.

Weniger zutrauen als dem Löwenzahn sollte man ihr keinesfalls, auch wenn sie weniger auffällig ist. Die Pflanze gilt im Gegenteil als sehr widerstandsfähig und wächst vom zeitigen Frühjahr bis zum späten Herbst auf unseren heimischen Wiesen. Anders als die echte Kamille, die an ihrer Blüte erkennbar zum näheren Verwandtschaftskreis gehört, ist das Gänseblümchen geruchlos, hat aber einen milden, nussähnlichen Geschmack.

Wirkung und Verwendung

Das Gänseblümchen punktet für die Verwendung in der Küche nicht nur mit seinem dekorativen Aussehen, sondern enthält auch Gerbstoffe, die als appetitanregend gelten, weil sie die Produktion der Magen- und Gallensäfte stimulieren. Überall, wo das nussige Aroma der Blüten willkommen ist oder das Auge beim Essen eine blumige Ergänzung zu schätzen weiss, können sie verwendet werden. Zur Dekoration auf Brotaufstrichen oder als Zierde für Kuchenguss zaubern die kleinen Blüten schnell ein Lächeln auf das Gesicht der Essensgäste.

Der früher häufiger verwendete Name «Tausendschön» gibt einen Hinweis auf eine andere Fähigkeit der Pflanze, denn sie wird auch zu kosmetischen Zwecken verarbeitet. Eine fetthaltige Crème mit Pflanzenextrakt von Gänseblümchen findet unter anderem Anwendung zur Linderung von Juckreiz, bei Insektenstichen oder leicht entzündeten Hautstellen. Aufgüsse aus den Blüten der Pflanze können als Gesichtswasser bei unreiner Haut verwendet werden.

DAS AUGE DES TAGES: Gänseblümchen sind heliotrop und damit immer der Sonne zugewandt. Sie gehen am Abend mit der untergehenden Sonne «schlafen». Dafür schliessen sie ihre Blütenblätter und senken ihren Kopf. Mit den ersten Sonnenstrahlen erwachen sie wieder aus ihrem Blümchenschlaf. Germanische Stämme gaben der Pflanze deshalb den poetischen Namen «Auge des Tages».

Waldmeister – der Geschmackvolle

Neben Königen und Löwen darf natürlich auch der Meister unter den Waldkräutern nicht fehlen! Wie der Name bereits andeutet, wächst die beliebte Pflanze mitten unter den hohen Bäumen unserer Laubmischwälder. Der Waldmeister braucht lehmigen Boden und einen schattigen bis halbschattigen Standort, um sich wohlzufühlen und neben seinem charakteristischen Aussehen auch sein volles Aroma zu entfalten. Cumarin ist der Stoff, der für den typischen Geruch und Geschmack des Waldmeisters verantwortlich ist und ihn mit Sicherheit unverwechselbar macht.

Die Pflanze ist zugleich dekorativ mit ihren dunkelgrünen, ovalen Blättern, die in mehreren Etagen kreisförmig um den Stängel angeordnet sind. Der Waldmeister wird auch als Maikraut bezeichnet, da seine Blütezeit zwischen Mitte April und Anfang Juni liegt und dieser Zeitraum zugleich als bester Erntezeitpunkt für die Pflanze gilt. 

Wirkung und Verwendung

Neben dem Inhaltsstoff Cumarin, der dem Waldmeister seinen unverkennbaren Geschmack verleiht, enthält er zusätzlich viele Gerb- und Bitterstoffe. In der Volksmedizin gilt er, in getrockneter Variante als Tee angewandt, als krampflösend und schlaffördernd. Er muss stets sparsam dosiert werden, da ein zu hoher Anteil Cumarin Kopfschmerzen verursachen kann. Wirklich meisterhaft ist er in seinen Anwendungsmöglichkeiten für den sinnlichen Genuss bei Speisen und Getränken.

Neben der bereits erwähnten Maibowle können die Blätter für verschiedene süsse Speisen wie Pudding, Crèmes oder Eis verwendet werden. Die grüne Variante der Götterspeise wird traditionell mit Waldmeister zubereitet. Beim Backen von Kuchen und Muffins lohnt sich das Hinzugeben ein paar getrockneter Blätter als geschmackliches Highlight.

Die im Frühling häufig servierte Maibowle hat dem Waldmeister zu seiner Berühmtheit verholfen.
MAIBOWLE, APÉROSTAR DES FRÜHLINGS: Eine Handvoll Waldmeisterblätter einen Tag trocknen lassen, zum Strauss binden und in eine Kanne Weisswein oder Traubensaft hängen, zirka 15 Minuten ziehen lassen und danach mit Sekt oder Mineralwasser aufgiessen. Garantiert stimmungsaufhellend!

Weissdorn – der Verzauberte

Definitiv kein Wildkraut, sondern ein bis zu zehn Meter hoher Strauch aus der Familie der Rosengewächse ist der Weissdorn. Seine Namensgebung ist zwar nicht poetisch, verrät dafür aber zwei seiner wichtigsten Merkmale: Mit seinen Dornen und dicht verzweigten Ästen ist er der Hagebutte und der Schlehe ähnlich, und im Frühling trägt er wunderschöne weisse Blüten, die im April und Mai an Waldrändern und halbschattigen Plätzen im Wald auffallend leuchten. Der Weissdorn kann stolze fünfhundert Jahre alt werden, und seine tiefroten Früchte wurden schon in keltischer und germanischer Zeit, pur oder als Mus gekocht, als Mittel zur Stärkung geschätzt.

Wirkung und Verwendung

Der Weissdorn wird in der Naturheilkunde in verschiedenen Varianten vor allem zur Herzstärkung und Regulierung des Blutkreislaufs eingesetzt. Aus den roten Beeren wird Pflanzensaft gewonnen, der pur oder als Weissdornwein in Drogerien und Apotheken erhältlich ist. Sowohl Blüten und Blätter als auch die Früchte eignen sich zum Trocknen für Tee und enthalten wichtige Mineralstoffe wie Calcium, Kalium und Magnesium, die für ein gesundes Herz-Kreislauf-System unentbehrlich sind.

Aufgrund seiner hohen Mineralstoffkonzentration an Calcium, Kalium und Magnesium wirkt Weissdorn nervenstärkend, beruhigend, krampflösend und durchblutungsfördernd.
MÄRCHENHAFT: Sowohl das Holz der Spindel, an dem sich Dornröschen im bekannten Märchen der Brüder Grimm gestochen hat, als auch die undurchdringliche Dornenhecke, die den Prinzen den Durchgang zum Schloss erschwerte und nach hundert Jahren zu blühen begann, sollen Weissdorn gewesen sein.

Schwarzer Holunder – der Verehrte

Noch viel mehr Stoff aus Märchen und Mythologie bietet der Holunder, der im Volksmund als Holder oder Hollerbusch bekannt ist und dem Märchen «Frau Holle» seinen Namen gab. Der Name des Baums, der im Frühling kräftig duftende, crèmefarbene Blüten und im Spätsommer schwarze Beeren trägt, wird vom althochdeutschen Wort «holuntar » – «hohler Baum» – abgeleitet. Der Holunder kann eine Wuchshöhe von bis zu sieben Metern erreichen und ist an Waldrändern und auf Waldlichtungen genauso anzutreffen wie bei alten Scheunen und Stallungen.

In der germanischen Mythologie galt Holda als wichtige Schutzgöttin und wurde mit dem Holunder in Verbindung gebracht. Seither gilt der vielseitig verwendbare Strauch als heilige Pflanze, die Krankheiten lindern und für Haus und Hof Schutz spenden soll. Die Sprüche «vor dem Holunder zieh den Hut herunter» oder «Holunder tut Wunder» erinnern daran, wie viel Achtung dieser Pflanze einst entgegengebracht wurde.

Wirkung und Verwendung

Dem sagenumwobenen Holunder werden natürlich ausserordentliche Heilkräfte nachgesagt. Doch was wären Mythen ohne eine Prise Wahrheit? Tatsächlich können alle Teile der Pflanze, von der Wurzel über die Rinde bis zu den Blättern, Blüten und Früchten, genutzt werden. Am bekanntesten ist die Verwendung der Blüten und Beeren, die, abgesehen von ihrer Heilwirkung, in Speisen und Getränken einfach köstlich schmecken. Die im Mai und Juni üppig vorhandenen Blüten enthalten Gerbstoffe, ätherisches Öl und Flavonoide. Die im Spätsommer reifen Beeren können zudem mit den Vitaminen A, C und den B-Vitaminen in hoher Konzentration punkten und wirken durch das Zusammenspiel ihrer Inhaltsstoffe besonders immunstärkend.

Die bekannteste Variante der Verarbeitung ist der im Frühling beliebte Holunderblütensirup. Im süddeutschen Raum und in Österreich werden ausserdem die «Hollerküchle», frittierte oder ausgebackene Holunderblütendolden, als saisonale Spezialität serviert. Zum Backen von Kuchen oder süssen Broten, für Sorbet, Gelee oder Crèmespeisen sind Holunderblüten als Zutat ebenfalls geeignet. Aus den schwarzen Beeren lässt sich im Herbst ein vitaminreicher Punsch für die kalte Jahreszeit zubereiten, aber auch als Sirup, Gelee oder Kompott sind sie eine wahre Sinnesfreude.

Die bekannteste Variante für die Verarbeitung der crémefarbenen Blüten ist der im Frühling beliebte Holunderblütensirup. Mit Wasser verdünnt, ist er eine süsse Erfrischung für zwischendurch und gemischt mit Sekt oder Weisswein an jedem Frühlinsapéro eine Bereicherung.
HOLUNDERBLÜTENSIRUP: DER KLASSIKER Zutaten: zirka 20 Holunderblütendolden, 1kg Zucker, 2 Zitronen; Zubereitung: Wasser mit Zucker aufkochen und fünf Minuten unter Rühren kochen lassen. Holunderdolden und geschnittene Zitrone in den Sirup geben und 24 Stunden ziehen lassen. Zitrone und Blüten absieben und den Sirup noch einmal aufkochen. Heiss in Gläser oder Flaschen abfüllen und luftdicht verschliessen.

Nach all den Meistern, Königen und märchenhaften Vertreterinnen unserer einheimischen Pflanzenwelt ist vielleicht auch Ihre Entdeckungslust geweckt, Wildpflanzen zu sammeln und zu verarbeiten. Viel Freude beim Ausprobieren – und Augen auf beim nächsten Waldspaziergang!

Quellen und weiterführende Literatur:

Bücher: Steffen Guido Fleischhauer, Roland Spiegelberger, Jürgen Guthmann: «Essbare Wildpflanzen. 200 Arten bestimmen und verwenden», AT Verlag, 2015. Monika Wurft: «Mein Wildkräuterbuch: 30 essbare Pflanzen entdecken, sammeln und geniessen», Verlag Ulmer, 2017. Online: www.kraeuterbuch.de, www.smarticular.net

Impressum: Konzept, Text, Fotos und Produktion: Tina Köhler – Fachcoaches: Iwon Blum, Simone Gloor – Gesamtverantwortung: Robert Hansen, Chefredaktion – redaktion@derarbeitsmarkt.ch – www.derarbeitsmarkt.ch

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Tina Köhler
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