Interview und Fotos: Nicolet Perriard I Rezepte: Reverend Beat-Man
Ich treffe meinen Gesprächspartner, einen szenebekannten Musiker, ohne mit ihm die Fragen besprochen zu haben. Wir schwatzen drauflos und sehen, wohin die Reise geht. Wird das Geplauder lustig, traurig oder langweilig? Eskaliert unser Schwatz zu einem Streitgespräch? Wer eignet sich besser für dieses Experiment der spontanen und unkonventionellen Homestory inklusive gemeinsamen Kochens als der über die Grenzen hinaus berühmte Reverend Beat-Man, seines Zeichens Trash-Musiker und Abgesandter der dunklen Gefilde?
Völlerei, Hochmut und Jähzorn: Er ist der Hohepriester des primitiven Garage-Rocks und Gospel Blues Trash. Als Reverend Beat-Man bekehrt er seine Schäfchen: fluchend, mahnend und schwitzend, obskure Geschichten erzählend über den Tod, die Begierde und die verlorene Liebe. Als Frontmann der Gruppe «The Monsters» vereinigt er seit über 30 Jahren weltweit Ketzerinnen, Abtrünnige und Gottlose. Ob in kultigen Undergroundlokalen oder beim Las Vegas Grind Festival in den USA: Beat-Mans ungezügelte Hitze und Intensität tragen Mitschuld am Schmelzen der Eiskappen.
Beat Zeller aka Reverend Beat-Man kommt um 18.03 Uhr auf seinem Velo um die Ecke gedüst. Er entschuldigt sich für die Verspätung, wir begrüssen uns kurz herzlich und stehen wenige Augenblicke später an der Fleischtheke der Biometzgerei «La Boulotte» beim Berner Breitenrainplatz. Zwei grosse Stück Rindshuft werden eingepackt, ein paar nette Worte gewechselt. Im Lebensmittelladen gegenüber kaufen wir entlang Beat-Mans Einkaufsliste die restlichen Zutaten ein und fahren mit den Velos zu ihm nach Hause.
Exzentrische Bleibe – Beat-Mans Wohnung als Manifestation seines Innenlebens
Gleich mit dem ersten Schritt über die Türschwelle ist klar: Gewöhnliches finde ich hier nichts. Ich trete ein in eine Welt, die einem riesigen Schrein ähnelt. Eine glitzernde und zugleich abgefuckte Mischung aus Tiki, 50er-Jahren, französischen Chansons, Tattoos, Voodoo, Holzmasken, Exotik und Lucha-Libre-Flair. Oder wer hat schon ein eigenes Aufnahmestudio-Schrägstrich-Gästezimmer mit tonnenweise herumliegenden Perkussionsinstrumenten zu Hause?
Zwei Göttinnen in Beat-Mans Leben
Beat-Man steht in der Küche und fängt an zu kochen, hantiert gekonnt mit dem Messer und schnippelt Zwiebeln. Dabei erzählt er von seiner Freundin. «Cleopatra» heisst sie und wohnt in Athen. Eine betörende Frau, eine Muse, eine Göttin vom Gürtel des Orion. Seine Göttin. Kiki die Katze, die zweite Göttin in seinem Leben, streift durch die Küche und um die Beine, verlangt nach Aufmerksamkeit. Oder einem Stück Fleisch? Die Verehrung seiner Katze geht tief. Beat-Man erzählt, wie beleidigt Kiki war, als er nach drei Wochen Liebesurlaub in Griechenland die Haustür öffnete. Sie strafte ihn mit einem missbilligenden Blick und zeigte ihm noch Stunden nach seiner Rückkehr die kalte Schulter. Den missbilligenden Blick hielt er fotografisch fest und zeigt mir den Schnappschuss auf seinem Handy. Der Gram ist dem Pelztier wahrlich ins Gesicht geschrieben.
«Ich würde gerne richtig Gitarre spielen können»
«So richtig mal was von Grund auf erlernen wäre schon was. Wäre. Ich habe nämlich keine Geduld und mag nie warten», sagt Beat-Man. «Warum auch? Lieber gleich mit dem Kopf durch die Wand. Bisher hat alles in meinem Leben wunderbar nach dieser Taktik funktioniert. Ich lerne gerne Neues, probiere Unbekanntes aus und versuche, unvoreingenommen zu sein.» Nach einer kurzen Pause und einem Schluck Wein fügt der Musiker nachdenklich an: «Gitarre spielen hätte ich im Nachhinein betrachtet richtig von Grund auf erlernen sollen, also mit Unterricht und so.»
Beat-Man drückt die OK-Taste der Handystoppuhr, hebt das Fleisch aus der Bratpfanne und lässt es eine weitere Minute ziehen. Er stellt die Teller mit dem Hauptgang auf den Tisch, setzt sich dazu und erhebt das Glas. Wir geniessen zartrosa Rindshuft mit perfekt pochiertem Ei auf gebratener Aubergine.
«Nicht alle der sieben Todsünden sind schlecht. Ich habe nix gegen Wollust und Völlerei.»
Wie die sieben Todsünden wirklich zu deuten sind und an welche neuen zehn Gebote sich die Menschheit in Zukunft zu halten hat, wäre unser nächstes Thema gewesen. Wir waren uns aber einig, dass dieses Thema ein eigenes Interview und mehr Wein verdient.
Beat-Man serviert einen teuflisch starken schwarzen Kaffee. Satt und zufrieden wechseln wir ins Wohnzimmer, um noch ein paar Fotos zu schiessen. Ein letzter Blick in Regale voller Comic- und Tiki-Figuren und in eine bis zur Decke ragende Plattensammlung. Der Abend war Weltklasse. Die Musik war Weltklasse. Das Essen war Weltklasse. Beat-Man war Weltklasse. Und Kiki die Katze war auch Weltklasse. Welch gemütlicher Abend mit diesem nicht schubladisierbaren Künstler, dessen Welt und dessen Gedanken erfrischend inspirierend sind.
10 Fakten über Beat-Man, die du garantiert noch nicht kanntest:
- Beat-Man trägt zu Hause Pantoffeln.
- Beat-Man ist ein eingefleischter SCB-Fan.
- Beat-Man geht regelmässig ins Power-Yoga.
- Das heilige Kreuz in seiner Küche hängt richtig rum.
- Um seine Katze Kiki macht Beat-Man einen Kult.
- Beat-Man bereitet die perfekt poschierten Eier zu.
- Eine Stimmtrainerin ermutigte Beat-Man einst, sich einem anderen Hobby als dem Gesang zu widmen. Ab da war klar: «Jetzt erst recht!»
- Beat-Mans Mama spielt leidenschaftlich Hackbrett.
- Jellow Biafra bat Beat-Man einst um ein Autogramm. «Das war schräg.»
- Als Teenie wurde Beat-Man beim Klauen einer Schallplatte erwischt. Er hat sie dann in Raten abgezahlt.
The Voodoo Rhythm Hardwarestore – Beat-Mans Plattenladen
Die ultimative Garage-Punk-Rock-Pilgerstätte befindet sich in einem über 300 Jahre alten Gewölbekeller inmitten der Berner Altstadt. Im winzigen Plattenladen finden Musikliebhaber nebst Vinyl, Wrestling-Masken und Grabkerzen auch Mitbringsel von Beat-Mans Reisen und Tourneen aus aller Welt. Und hier und da lassen exzessive Kleinstkonzerte, die wilder nicht sein könnten, Berns Lauben nach New Yorker Underground der 60er klingen. The Voodoo Rhythm Hardwarestore, Münstergasse 76, 3011 Bern I Do–Sa 12.00–18.30 Uhr I www.voodoorhythm.com I instagram.com/reverendbeatman I instagram.com/themonsters
Der food der stunde
Auberginen und pochiertes Ei
- 1 Aubergine
- 2 Bio-Eier
- Olivenöl, Salz und Pfeffer
Zubereitung: Aubergine in ca. 1 cm breite Stücke schneiden und in einer Bratpfanne mit Olivenöl leicht bräunlich braten. Beide Eier vorsichtig aufschlagen und in ungesaltzenes, knapp siedendes und mit etwas Essig versehenes Wasser gleiten lassen. Nach vier Minuten die Eier mit der Schöpfkelle herausnehmen und auf den gebratenen Auberginen anrichten.
Impressum
Konzept, Interview und Fotos: Nicolet Perriard – Gesamtleitung: Robert Hansen, Chefredaktion; redaktion@derarbeitsmarkt.ch, © www.derarbeitsmarkt.ch, August 2021