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Digitalisierungsvorsprung durch Kooperationen Was Familienunternehmen von Start-ups lernen können

Von Julian van der Linden

Die Digitalisierung treibt nahezu alle Familienunternehmer und mittelständische Firmen um. Die meisten in den „klassischen“ Branchen haben wohl verstanden, dass sie digitale Geschäftsmodelle und damit den Zugang zu neuen Nutzer- und Kundengruppen sowie datengestützte Dienstleistungen entwickeln müssen. Wie können dabei Familienunternehmen mit Start-ups zusammenarbeiten – und von deren Kultur lernen?

Angesichts der digitalen Herausforderung schielen viele Unternehmer in Richtung der innovativen Start-ups. Doch eine Kooperation ist nicht minder anspruchsvoll wie die Digitalisierung selbst. So arbeiten bislang nur wenige mit Start-ups zusammen, schließen Partnerschaften oder beteiligen sich gar an ihnen. Für eine aktuelle Studie hat das Beratungsunternehmen Deloitte mittelständische Firmen befragt. Das Ergebnis: Nur rund 20 Prozent verfügen über „Kooperationserfahrung“ mit Start-ups.

Familienunternehmer sollten aber vor der Kooperations-Herausforderung nicht zurück-schrecken. Bei der hochstrategischen Aufgabe, Partnerschaften zu schmieden – zur Ausweitung des Leistungsspektrums, zum Ausbau der eigenen Wertschöpfungstiefe oder zur Erweiterung des Kundenzugangs –, sind Familienunternehmen doch auch sonst recht aktiv. Warum dann also nicht auch die Kooperation mit oder die Beteiligung an innovativen Start-ups?

Je nach Geschäftsmodell oder Portfolio des Familienunternehmens und dem Digitalisierungs-Druck der jeweiligen Branche muss es immer um das strategische Oberziel gehen, nämlich um die nachhaltig gesteigerte Zukunftsfähigkeit. Es erscheint klug, das Geschäfts¬modell des heute erfolgreichen Unternehmens abzusichern und zu ergänzen; durch Beteiligung oder Kooperation mit Start-ups, bevor sie zur Gefahr für das eigene Unternehmen werden.

Leistungen effizient miteinander vernetzen

Die Herausforderung besteht vor allem darin, die richtigen Teams von Leistungsträgern miteinander zu vernetzen und Leistungs¬angebote (Produkte, Services, etc.) für die Kundengruppen von heute und morgen kooperativ weiterzuentwickeln. Start-ups können so eine neue Form der Forschung und Entwicklung für etablierte Unternehmen sein.

Für Familienunternehmer, die eine Kooperation mit einem Start-up oder gar eine Beteiligung angehen wollen, sind folgende Fragen relevant:

▪ Was will ich durch eine Beteiligung/Kooperation an einem Start-Up erreichen?

▪ Was sind meine strategischen Ziele für Wachstum, Renditesteigerung und Risikooptimierung?

▪ Welche dieser Ziele lassen sich objektiv messen und welche nicht?

▪ Welchen Zeithorizont erwarte ich mir kurz- (1-3 Jahre), mittel- (3-5 Jahre) und langfristig (5-7 Jahre)?

▪ Kann ich mit dieser Beteiligung/Kooperation meinen Kunden einen größeren Nutzen bieten? Wenn ja, wodurch?

▪ Kann ich durch diese Beteiligung/Kooperation Wettbewerbsvorteile ausbauen oder neu kreieren – und möglicherweise über mehrere Unternehmen hinweg nutzen?

Etablierte Unternehmen müssen für Start-ups attraktive Kooperationspartner sein. Aktuell ist mehr als genug Kapital für gute Ideen vorhanden und viele junge, kreative „Machertypen“ zieht es in die Start-up-Szene. Folgende Werttreiber können etablierte Familienunternehmen Start-ups anbieten: Kenntnisse und Netzwerke im jeweiligen Markt, Marke und Reputation, Zugang zu bestehenden Kunden, Infrastruktur sowie Distributionswege. Es geht also darum – auch unter Einsatz von Beteiligungskapital – nutzbringende Partnerschaften einzugehen, aufzubauen und zu pflegen.

Beide müssen dieselbe Sprache sprechen

Wichtiger ist aber der „Fit“, also das Zusammenpassen der Unternehmen in mehrfacher Hinsicht: Das typische „reife“ Unternehmen hat mehrere Hierarchie-Stufen, klar abgegrenzte Entscheidungswege, ebenso wie feste Meeting-Strukturen und Planungs- und Budgetrunden einmal pro Geschäftsjahr. In diesem Zeitraum aber kann über das Wohl und Wehe eines Start-ups schon entschieden sein: Entweder ist die Marktakzeptanz ausreichend getestet und nachgewiesen oder das Startkapital ist vorher aufgebraucht.

Es ist zudem unerlässlich, dass beide dieselbe Sprache sprechen. So heißt „Zusammenarbeit“ für Start-ups oftmals, ein einmaliges Projekt mit durchschnittlichen acht Monaten Laufzeit durch¬zuführen, während mittelständische Unternehmen von mindestens 36 Monaten kontinuierlicher Zusammenarbeit ausgehen. Um die genannten Fragen zu beantworten und zu einer strategisch bewussten Entscheidung zu kommen, ist es wichtig, ein echtes Verständnis für die Geschäftsmodelle, Kernkompetenzen und Hebel zur Skalierung des jeweiligen Start-ups zu entwickeln.

Weit über eine Kooperation ist das traditionsreiche Familienunternehmen Hoffmann Group (gegründet 1919, Spezialist und Systempartner für Qualitätswerkzeuge) hinausgegangen: Man hat die Contorion GmbH, die seit 2014 eine Online-Plattform für Spezialwerkzeuge betreibt, zum stolzen Preis von mehr als 100 Millionen Euro übernommen.

Wer dahinter allerdings die rein finanzielle Rendite oder eine strategische Risikoverteilung durch Diversifizierung vermutet, wird enttäuscht sein. Contorion hat das Geschäftsjahr 2016 mit einem Verlust von rund acht Millionen Euro abgeschlossen und im ersten Halbjahr 2017 einen Umsatz von 20 Millionen Euro erwirtschaftet – mit der Art von Profi-Werkzeugen, wie sie Hoffmann bereits im Sortiment anbietet. Womit erklärt sich dann aber der stattliche Kaufpreis? Die Hoffmann Group treibt mit diesem Investment – mit seinem nun firmeneigenen Start-up – nicht nur die eigene Digitalisierung erheblich voran, sondern kauft sich den weltweiten digitalen Kundenzugang ebenso wie einen erheblichen Vorsprung gegenüber seinen Marktbegleitern.

Julian van der Linden ist Projektleiter bei Weissman & Cie, einem speziell auf Familienunternehmen ausgerichteten Beratungsunternehmen in Nürnberg. Zu Linden’s Themenschwerpunkten gehören die Strategieentwicklung für Unternehmen und Unternehmensgruppen sowie Organisationsentwicklung und Innovationsmanagement. Weissmann & Cie wurde 1987 von dem gebürtigen Hofer Prof. Dr. Arnold Weissman gegründet.

www.weissman.de

Created By
Julian van der Linden
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Credits:

Foto: vege

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