Viele Grüße aus dem Outback Lisa Weber erzählt von ihrer Arbeit als Cowgirl in Australien

von Lisa Weber I 7. Mai 2015

Ich bin gerade an einem Ort, an dem Größenordnungen und Distanzen eine andere Bedeutung haben. Da spitzt man als ursprüngliche Schmißbergerin schonmal die Ohren, wenn eine zwei Stunden entfernte Ansammlung von 35 Häusern als „die nächste Stadt” bezeichnet wird. Und während wir beim Plausch mit dem Nachbarn einen Ausflug ins 70 km entfernte Trier erwähnenswert finden, heißt es hier: „Longreach? Oh, das ist nicht weit weg. Etwa fünf Stunden mit dem Auto nordöstlich von hier”. Quasi um die Ecke also. Zumindest für australische Verhältnisse.

Lisa Weber arbeitet auf einer Farm im australischen Outback. Fotos (2): Lisa Weber

Denn nachdem ich im Februar mein Veterinärmedizin-Studium in Berlin beendet habe, habe ich mich auf große Reise nach „Down Under” begeben. Und bin auf einer „cattle station”, also einer Rinderfarm, im Outback von Queensland, einem der sechs Bundesstaaten, gelandet. Dort arbeite ich jetzt als „jillaroo”, der australischen Bezeichnung für „cowgirl”. Die Farm besteht aus fast 500.000 Hektar Land, eine Fläche doppelt so groß wie das Saarland. Auf verschiedene „paddocks”, also Weiden, unterteilt, leben hier 13.000 Rinder. Dafür nur 10 Menschen.

Insgesamt 13.000 Rinder leben auf den Weiden der Farm. Foto: Lisa Weber

Meine Studienkollegin Miriam, unser Chef Glenn McCamley, zwei weitere Personen und ich sind für die Rinder zuständig. Die Frau unseres Chefs arbeitet im Büro und kümmert sich um den Papierkram. Die beiden älteren Kinder gehen auf ein Internat, der jüngste Sohn wohnt hier und wird über das Internet via Skype und ein Kindermädchen unterrichtet. Eine Köchin sorgt für die Verpflegung, ihr Ehemann legt den ganzen Tag viele Kilometer mit dem Auto zurück und überprüft die Wassertröge. Denn unter dem Begriff „Weide” darf man sich keine grünen Wiesen mit natürlichen Bachläufen vorstellen. Hier ist alles flach bis zum Horizont, überall rote Erde und Sand, der sich ab und zu zu einem Hügel auftut. Vereinzelt interessante Bäume, Büsche und trockene Gräser.

Lisa mit Studienkollegin Miriam auf den Pferden. Foto: Lisa Weber

Während man mit den großen Geländewagen mit Allradantrieb durch die Gegend düst sieht man viele kleine Känguru- und Rinderherden, Emus, weiß-rote Papageien und Adler mit bis zu drei Meter Flügelspannweite. Die Tröge werden mit Grundwasser gespeist, das aus bis zu 2000 Meter Tiefe mit Windmühlen, Solar- und Dieselmotoren hochgepumpt wird. Ohne Diesel geht hier nichts, auch der Strom auf dem Wohngelände kommt aus dem Generator. Die Internetverbindung läuft über Satellit und ist sehr langsam. Aber sie ist da, ich will mich nicht beschweren.

Der Geländewagen mit dem Lisa durch die Gegend "düst" (links). Die Windmühle pumpt das Wasser für die Tröge hoch (rechts). Fotos (2): Lisa Weber

In unregelmäßigen Abständen von zwei bis zehn Jahren gibt es starke Regenfälle und der einzige Fluss in der Nähe, der Coopers Creek, überflutet wochen- bis monatelang riesige Flächen. Nur so kann die natürliche Flora und Fauna hier überleben. Denn während ich bei den derzeitigen „winterlichen” Temperaturen von 25-30 Grad Celsius schon ins Schwitzen komme (in Australien sind die Jahreszeiten umgekehrt zu den europäischen), wird es hier im Sommer bis zu 47 Grad heiß.

Arbeitstag beginnt früh

Meine Arbeitstage beginnen früh und enden spät. Dafür werde ich mit den schönsten Sonnenauf- und untergängen belohnt, die ich je gesehen habe. Und auch über die praktischen Erfahrungen und Methoden, die ich hier für mein späteres Berufsleben lerne, kann ich mich nicht beschweren. Zum Beispiel haben wir innerhalb von zwei Tagen 730 Jungbullen geimpft, kastriert, enthornt, gebrannt und geohrmarkt. Arbeiten im Akkord. Und da jede Herde nur zweimal im Jahr zusammengetrieben, sortiert und „behandelt” wird, sind unter den Kälbern bis zu 250 Kilogramm schwere Tiere dabei. So ein Hinterbein während einer Operation will erstmal gehalten werden!

Nach der Arbeit schmerzen gehabt

In den ersten Tagen konnte ich mich abends kaum bewegen, weil mir von der ungewohnten körperlichen Arbeit alles weh tat. Das Zusammentreiben der Rinder zu den Sammelstellen nennen sie hier „mustering”. Und da manche der „paddocks” flächenmäßig dreimal so groß wie die Stadt Mainz sind, bedient man sich hierfür an Helikoptern, Motorrädern, Hunden und Pferden.

Herdenverbände bestehen oft aus 900 Rinder

Es ist ein unglaubliches Bild, wenn man mit Pferd und Funkgerät auf seinem Posten wartet und sich am Horizont eine riesige Staubwolke auftut, gefolgt von dem Geräusch der rotierenden Helikopterflügel. Dann erkennt man langsam die ersten Kühe, die der Staub freigibt und die muhend und mit nickenden Köpfen auf einen zukommen. Da Rinder absolute Herdentiere sind ist es machbar, einen bis zu 900 Kopf starken Verband mit fünf Pferden und zehn Hunden über drei bis zwanzig Kilometer lange Strecken zu treiben. Wo die eine Kuh hinläuft, laufen alle hin. Natürlich muss man dennoch viel hin- und hertraben, rufen, antreiben, beruhigen und manchmal auch einfangen. Der Grasbüschel zwanzig Meter weiter rechts sieht aber auch einfach zu verlockend aus. Da könnte man den schützenden Herdenverband schonmal für verlassen.

Dem Ausreißer dann im gestreckten Galopp nachzujagen macht unglaublich viel Spaß. Und mit dem typischen Hut, der hier mein bester Freund ist und mich vor der Sonne schützt, komme ich mir vor wie ein richtiges “cowgirl”.

Überhaupt kann ich behaupten, dass man mit den Australiern viel Spaß haben kann, ob bei der Arbeit oder in der Freizeit. Stets ist der Ton freundlich und die Stimmung locker und entspannt. Jeder wird direkt mit Vornamen angesprochen und ist ein “mate”, was so viel bedeutet wie „Kumpel” oder „Kollege”. „Ohje, tut mir wirklich furchtbar Leid, dass ich das Gatter nicht rechtzeitig geschlossen habe und wir das Kalb jetzt unter den 200 anderen wieder irgendwie rausfischen müssen.” „Rightio. No worries, mate, we gonna catch him later. Too easy.” (“Mach dir keine Gedanken, Kumpel, den fangen wir später wieder ein. Gar kein Problem.”)

Wildschweine sind ein Problem

Weniger entspannt sehen sie hier allerdings die Sache mit den Wildschweinen und wilden Hunden. Die bringen Krankheiten, verschmutzen das Trinkwasser bzw. reißen die Kälber. Diese Erklärung bekamen wir, als wir am ersten Tag mit großen Augen die 1000 Schuss Munition betrachteten, die unser Chef kaufte. „We shoot them”. Wir erschießen sie. Einmal habe sich ein Kamel aufs Areal verirrt. Ich bin begeistert. Ob es hier noch irgendwo rumlaufe? „No. Shot him.”

Klarer Sternenhimmel

Mein Tag neigt sich dem Ende zu. Bevor ich schlafen gehe werfe ich einen letzten Blick auf den unglaublich klaren und tollen Sternenhimmel. Am anderen Ende der Welt stehen die Sternenbilder auf dem Kopf. Das habe ich aber nur gelesen. Meine astronomischen Kenntnisse sind nämlich astronomisch schlecht.

Wie in einem Westernfilm: Lisa läuft dem Sonnenuntergang entgegen. Foto: Lisa Weber
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Fotos: Lisa Weber

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