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Warum tust du nichts? von Michael Dufner

Jesus ist mein Versorger – in diesem Vertrauen habe ich den letzten Artikel beendet. Und solange es uns gut geht, wir alles haben, ist das einfach. Aber was ist, wenn es sich zwischenzeitlich anders anfühlt? Bleibe ich dabei? Halte ich mich mit allem daran fest und lebe so, als ob er auch wirklich mein Versorger ist? Ich fühle mich herausgefordert. Denn das bedeutet: Nicht ich, nicht meine Bedürfnisse sind der Massstab für„genug“ oder für „Glück“ oder für „Freiheit“, sondern sein Massstab. Nicht meine Wünsche sind letztlich das Zentrum meines Bestrebens, sondern sein Plan für mein Leben.

Lazarus (Joh 11), ein guter Freund von Jesus, so heisst es, wird krank, todkrank. Ein guter Freund von Jesus kann und darf krank werden. Seine Schwestern schicken jemanden los, um Jesus zu holen. Sie sind hektisch, voller Hoffnung, fragen sich: «Was tut Jesus jetzt?» Und vielleicht sind sie schon etwas nervös wegen des bevor-stehenden Wunders… Aber die Reaktion von Jesus: „Nein, sorry, ich kann nicht. Es ist wichtig, dass ich jetzt hier bin.“ Echt? Jetzt? Was gibt es Wichtigeres im Ange-sicht des Todes als einen guten Freund?

Und dann noch einen, der heilen könnte? Der lange Weg war umsonst. Der Einsatz hat nichts gebracht. – Unverständnis. Was tut Jesus hier? Wieso kann ich es nicht verstehen…? Aber esus weiss sicher, was er tut, und wenn er gesagt hat, dass er alles unter Kontrolle hat, dann wird das schon so sein.

Doch es kommt anders als erhofft, genau so, wie befürchtet. Deshalb haben sie ja Jesus rufen lassen: Lazarus stirbt. Das Unverständnis wird mit tiefer Trauer durchdrungen. Als Jesus endlich kommt, leider zu spät, brechen die angestauten Emotionen der beiden Frauen auf.

Wieso hat Jesus das nicht verhindert? Wieso hat er seinen FREUND nicht geheilt?

SERIE LEIDENSCHAFT

Was jetzt passiert ist, ist aus der Sicht von Lazarus die Krönung: Er ist im Paradies. Er ist dort, wo wir alle hinwollen. In der ewigen Heimat. Dort, wo es keine Trauer, kein Leid, keine Krankheit, keine Zweifel, keine Fragen mehr gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand von dort wieder zurück auf diese Welt will. – Und was tut Jesus? Er ruft ihn zurück. Seit vier Tagen ist Lazarus tot und jetzt erweckt ihn Jesus wieder zum Leben!

Als mein erster Sohn zur Welt kam, besuchte uns mein bester Freund nicht un-mittelbar nach der Geburt. Ich hatte ihm das sehr übelgenommen. Ich lud ihn zu einem Gespräch ein, denn ich musste für mich klären, ob er Freundschaft auch so definiere wie ich. Denn sowas geht nicht. Als BESTER Wegbegleiter geht man, egal was grad ist, ins Spital und freut sich mit seinem Freund. Auf diesem Hintergrund taucht bei mir die Frage auf: Wenn Jesus das so macht mit Lazarus, wer braucht dann einen solchen Freund?

Die Frage lautet also weniger: "Was muss Jesus tun, wenn er meine Freund ist?" sondern: "Bin ich als Freund von Jesus bereit, für seine Ziele zu leben?"

Wenn ich dazu noch in mein Umfeld schaue, dann scheint es nicht nur Lazarus so ergangen zu sein. So oft erleben viele Freunde von Jesus Ähnliches. Auf ihre Fragen gibt Jesus keine Antwort. Krank-heiten werden nicht geheilt. Wo sich Freunde von Jesus seine Nähe wünschen, scheint er weit weg zu sein. Wieso macht er das? Wieso diese Wüstenzeiten?

Ich habe gemerkt, dass ich die falschen Fragen stelle, wenn ich so denke. Denn es ist Jesus nicht egal, was mit Lazarus passiert. Im Gegenteil. Er weint (V.35). Er ist ergriffen (V.33), und so sagt er: „Lazarus ist gestorben; und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht dort war, damit ihr glaubt. Aber lasst uns zu ihm gehen!“ (V.15)

Die Frage lautet also weniger: «Was muss Jesus tun, wenn er mein Freund ist?». Sondern: «Bin ich als Freund von Jesus bereit, für seine Ziele zu leben?» Nicht «Was muss er tun?» (er hat schon alles getan!), sondern «Was kann ich tun?». Durch das Sterben, Leiden und letztend-lich wieder lebendig Werden von Lazarus sind Menschen in seinem Umfeld im Glauben gewachsen. Er hat sein Leben und Sterben Jesus übergegeben und Jesus hat ihn gebraucht, damit Menschen durch ihn Gott erkennen.

Vielleicht denkst du: «Aber was ist mit mir? Ist es denn so falsch, sich Schöne-res als Leid zu wünschen? Ein Leben im Überfluss?» Nein, das ist nicht falsch und ich bin selbst auch Kind unse-rer Zeit. Ich liebe es, zu genies-sen. Ich liebe es, schöne Dinge zu haben, gesund zu sein, genügend zu essen zu haben, die Möglichkeiten zu haben, so Vieles zu unternehmen. Aber dieser Perspektivenwechsel, die Frage «Wieviel darf es mich kosten?», hat etwas Göttliches in sich verborgen. Wenn wir diese vermeintlichen Sicherheiten, Gefälligkeiten oder Annehmlichkeiten aufgeben und unser Leben in den Dienst von Jesus stellen («Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe!»), dann eröffnet sich eine neue Dimension. Es entsteht ein Wissen, eine Erkenntnis, dass alles, was wir hier auf der Welt haben, letztendlich nichts ist im Vergleich zu dem Schatz, der in der Beziehung zu Jesus steckt. Es ist nichts im Vergleich zu seinen Verheissungen, die in unse-rem Leben aufblühen, wenn wir seine göttliche Hand erkennen und erleben, wie er uns herzt. Nichts auf der Welt kann das erfüllen. Es ist ein Nach-Hause-Kommen. Alles, was wir haben, ist daher nichts im Vergleich mit dem, was er uns schenkt, wenn wir uns ihm verschenken. Das begeistert mich.

Michael Dufner