Bekenntnis zum Standort Oberfranken ros - Hightech aus coburg

Die neue Fabrik des Familienunternehmens Ros hätte in Osteuropa, Asien oder Amerika entstehen können. Die Gesellschafter haben sich nach langer Überlegung für den Standort Coburg entschieden. Dafür gab es gute Gründe, sagt Eberhard Ros.

Von Wolfgang Braunschmidt

Als ein Autohersteller das Coburger Technologieunternehmen Ros mit der Konstruktion eines komplexen Thermostat-Gehäuses für einen Vier-Zylinder-Dieselmotor beauftragt, hält es kein Experte für möglich, dass das Kunststoffteil in einem Arbeitsgang gefertigt werden kann. Es müsse aus mindestens drei Einzelteilen hergestellt und anschließend zu einer Baugruppe verschweißt werden, sagen die Fachleute.

Die Entwickler von Ros beweisen das Gegenteil. Sie überraschen damit nicht nur ihren Auftraggeber, sondern die gesamte Branche. Gemeinsam mit einem Partnerunternehmen hat Ros ein ausgeklügeltes Spritzgießwerkzeug entwickelt, das die komplexe Geometrie des Teils in einem Vorgang bewerkstelligen kann. Dafür hat das Coburger Unternehmen auf der Weltleitmesse der Kunststoffindustrie, der „K“ in Düsseldorf, 2016 den begehrten TecPart-Innovationspreis erhalten. Damit wird Ros zum fünften Mal für eine herausragende Entwicklung in der Kunststoffbranche ausgezeichnet.

Impressionen aus der Produktion

Das Thermostat-Gehäuse steht für High-Tech aus Coburg. Damit punktet das Familienunternehmen seit seiner Gründung im Jahr 1926. Immer wieder macht es mit Innovationen auf sich aufmerksam. Gegründet hat es Hermann Ros. Er war ein genialer Ingenieur, sagt sein Enkel Eberhard Ros. Sein Großvater ließ zum Beispiel Tabakdosen pressen. Ausgangsmaterial war Bakelit, dem Ros eine Holzoptik verpasste, die vom Original kaum zu unterscheiden ist. Für die damalige Kunststofffertigung war das wegweisend.

Bis Ende der 1980er Jahre fertigte Ros ausschließlich elektrotechnische Produkte: Kontakte, Schalter, Abschirmungen. Dann, sagt Gesellschafter Eberhard Ros, kam ein Entwicklungsschub, „als wir für die Automobilindustrie tätig wurden“. Und: Mit der Partnerschaft mit dem Automobilzulieferer Brose begann für das Unternehmen die Globalisierung: „Erst das Werk Coburg, dann Hallstadt, dann Meerane in Sachsen, schließlich die internationalen Standorte“, zeigt Ros an einem Beispiel auf, wie sein Unternehmen an und mit seinen Kunden gewachsen ist.

Kunststoffbauteile für Fahrzeuge – für den Motorraum, Sitzverstellungen oder Türmodule – machen heute 75 Prozent der Produktion aus, der Rest entfällt auf Bereiche wie die Medizintechnik, für die Ros beispielsweise Komponenten für Mikropumpen, Computertomographen oder die Dentaltechnik fertigt. Mit der Produktpalette wird auch die Raffinerieindustrie bedient. „Für Bohrinseln werden Teile aus Hochleistungskunststoffen benötigt, und die können wir liefern“, sagt Eberhard Ros. Die Produkte gehen in die ganze Welt.

Das Geschäft entwickelte sich in den Neunzigern weiter prächtig. 1996 eröffnete Ros ein Zweigwerk in Ummerstadt im Landkreis Hildburghausen. Dort, in der kleinsten Stadt Thüringens, direkt an der Grenze zum Landkreis Coburg, liegen die Wurzeln der Gesellschafterfamilie. 2007 nahm Ros eine weitere Produktionsstätte im nordböhmischen Most in Tschechien in Betrieb. Derweil wurde es am Stammsitz in der Bamberger Straße in Coburg immer enger. Geschäftsführer Steffen Tetzlaff erhielt deshalb den Auftrag, ein Grundstück für die Expansion zu suchen. Klar, dass ausländische Standorte mit im Rennen waren. „Wir hätten in ein Land gehen können, das dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta angeschlossen ist, oder nach Asien“, erläutert Tetzlaff. „Wir hätten die Produktion auch in unser tschechisches Werk verlagern können, um in Coburg das Management, das Engineering und die Verwaltung zu konzentrieren.“ Ros hätte damit Kosten sparen können.

„Aber wir haben uns bewusst für einen Standort in Oberfranken entschieden“, erklären Gesellschafter Eberhard Ros und Geschäftsführer Steffen Tetzlaff übereinstimmend. Warum? „Wir sind ein Technologieunternehmen. Dafür benötigen wir qualifiziertes Personal, und das haben wir in Coburg und in seinem fränkischen und Thüringer Umland. In Asien oder im Nafta-Raum finden wir das nicht. Wir wissen, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital“, sagt Ros. Tetzlaff ergänzt: „Wir sind ein mittelständisches Unternehmen, und ein solches kann von Coburg aus durchaus den Weltmarkt bedienen.“

Oberfranken sei zudem ein sehr guter Standort. Die Region biete eine hohe Lebensqualität, günstige Lebenshaltungskosten, ein sehr gut ausgebautes Bildungssystem von der Kinderkrippe bis zur Universität, sei mittlerweile gut an nationale Verkehrsadern angebunden, so dass sich Zentren schnell erreichen lassen, verfüge über eine starke Wirtschaft mit einem ausgewogenen Branchenmix und habe mit Thüringen ein Hinterland wiedergewonnen, das für die Gewinnung von Mitarbeitern wichtig sei. Oberfranken ist für Eberhard Ros ein „Zukunftsstandort“.

Und zudem eine „Wohlfühloase“. Er weiß, wovon er spricht. Er hat mit seiner Familie jahrelang im Ballungszentrum Frankfurt gelebt. Ein Freund, der in einem Vorort von Mainz zu Hause ist, könne sich für einen hohen sechsstelligen Betrag gerademal ein handtuchgroßes Grundstück mit einem kleinen Häuschen leisten. In Coburg bekomme man für das gleiche Geld eine wesentlich attraktivere Immobilie. Wichtig ist Eberhard Ros zudem der Hinweis, dass Oberfranken ein relativ sicheres Fleckchen Erde ist. „In Frankfurt habe ich kennen gelernt, was es heißt, in einem Raum mit einer hohen Kriminalitätsrate zu leben.“

Steffen Tetzlaff kann ebenfalls nicht verstehen, „wenn Oberfranken heruntergebügelt wird“. Der Geschäftsführer hat von 2006 bis 2009 das Ros-Werk in Tschechien mit aufgebaut. „Da lernt man zu schätzen, wie schön es in Oberfranken ist und wie gut man hier leben kann“, betont Tetzlaff.

Also Coburg. Ros hat nach langen Diskussionen zwischen Gesellschaftern und Management entschieden, am Gründungsstandort zu expandieren. Die Wahl fiel auf ein Gelände am ehemaligen Güterbahnhof in der Südstadt. Dort hat das Unternehmen seit 2013 Zug um Zug ein 45.000 Quadratmeter großes Areal erworben, das bislang der Firma Max Carl gehörte, die in das Industriegebiet Großheirath im Landkreis Coburg umzieht. Ros will im Frühjahr 2018 in der neuen Fabrik sein.

Gesellschafter und Management hätten sich auch für Eisfeld im Kreis Hildburghausen, Redwitz bei Lichtenfels oder Ebersdorf bei Coburg entscheiden können. Die Angebote lagen auf dem Tisch, Redwitz war fast schon spruchreif. „Aber dann kam die Überlegung auf, was ist mit unserer Belegschaft? Ihr zu lange Wege zu ihrem Arbeitsplatz zuzumuten war keine Lösung“, erläutert Eberhard Ros. Nicht wenige Mitarbeiter hätten signalisiert, dass sie dem Unternehmen den Rücken kehren, wenn es Coburg verlässt. „Das Risiko wollten wir keinesfalls eingehen“, betont Eberhard Ros und wiederholt: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital.“

Innerhalb der Ros-Gruppe ist der Standort Coburg der Technologieträger für die Werke in Ummerstadt und Tschechien. Um diesen Status zu behalten, braucht es qualifiziertes Personal: Mechatroniker, Verfahrenstechniker und Werkzeugmechaniker. Sie bildet Ros selbst aus, qualifiziert aber auch ältere Beschäftigte. Das Unternehmen bietet ein hauseigenes Weiterbildungsprogramm an, das sich eben nicht nur an die Jungen richtet, sondern auch an Mitarbeiter über 50. Eberhard Ros: „Wir hören von der Politik, dass die Menschen länger arbeiten müssen. Darauf müssen wir uns vorbereiten.“ Steffen Tetzlaff: „Wir denken an Übermorgen.“

Industrie 4.0 ist für den Coburger Technologiespezialisten deshalb kein Schlagwort, sondern gelebte Praxis. Menschen und Computer arbeiten bei Ros im Drei-Schicht-Betrieb zusammen, Maschinen sind vernetzt, werden von Büros aus gesteuert oder arbeiten am Wochenende, ohne dass ein Bediener in unmittelbarer Nähe wäre. Tritt eine Störung auf, wird ein Mitarbeiter, der Bereitschaft hat, von der Maschine via Mobiltelefon informiert. Anders gesagt: Körperliche Arbeit geht zurück, Qualifikation bekommt eine immer größere Bedeutung.

Ros ist auf der ganzen Welt daheim.

Dieser vierten industriellen Revolution soll die neue Fabrik, an der Ros in Coburg seit November 2016 baut, Rechnung tragen. Sie ist ausgerichtet an den modernsten Anforderungen an die industrielle Arbeitswelt, ganz gleich, ob es um Produktion, Kommunikation, Sozialräume oder Energieeffizienz geht. Geschäftsführer Steffen Tetzlaff spricht von einem „tollen Werk, das wir hier hinstellen werden“.

Die Ros GmbH & Co. KG

Geschäftsführer Eberhard Rot

Der Ingenieur Hermann Ros hat das gleichnamige Familienunternehmen 1926 als „Presswerk Ros“ in Coburg gegründet. Die heute rund 300 Mitarbeiter zählende Ros-Gruppe entwickelt und fertigt hochpräzise Werkzeuge für die Verarbeitung der Kunststoffe Duroplast und Thermoplast. Daraus entstehen Funktions- und Sichtteile unter anderem für namhafte Unternehmen aus der Automobil- und Elektroindustrie sowie dem Maschinenbau und der Medizintechnik. Ros macht immer wieder mit Innovationen von sich reden. So wurde das Unternehmen jüngst für ein Motoren-Thermostatgehäuse mit dem TecPart-Innovationspreis ausgezeichnet. TecPart ist der Verband Technische Kunststoff-Produkte e. V., dem die deutschen Hersteller von technischen Kunststoff-Produkten angeschlossen sind. Die Ros GmbH & Co. KG beschäftigt am Standort Coburg derzeit 170 Mitarbeiter, am Standort Ummerstadt 120 Mitarbeiter.

Die Geschichte der Firma Ros

• 15.09.1926: Ingenieur Hermann Ros gründet das „Presswerk ROS“ in Coburg. Die Firma startet mit zwölf Mitarbeitern in einer Fabrikationsstätte im Weichengereuth in der Coburger Südstadt.

• 1927: Umzug in die Uferstraße in Coburg.

• 1930: Fertigstellung des ersten eigenen Fabrikgebäudes mit Wohnhaus.

• 1939: Anbau einer Pressereihalle und Werkswohnhaus. Die Firma beschäftigt mittlerweile 60 Mitarbeiter.

• 1949: Kauf der ersten Spritzgießmaschine für die Thermoplastverarbeitung und Erweiterung der Fabrikation auf technische Spritzgussteile.

• 1949: Umwandlung der Rechtsform einer Einzelfirma in eine Familien-GmbH.

• 1950: Tod des Firmengründers Hermann Ros. Seine Frau Grete Ros führt trotz ihrer Belastung als Mutter – sie hat vier Kinder – die Firma weiter.

• 1952: Ros nimmt die Thermoplastfertigung auf.

• 1954: Aufstockung des Flachbaus um zwei Stockwerke. Bei Ros arbeiten 80 Mitarbeiter.

• 1958: Errichtung eines Neubaus für Thermoplast Spritzerei und Werkzeugbau. Die Belegschaft ist auf 160 Beschäftigte angewachsen.

• 1959: Die Beschäftigungszahl steigt durch den Neubau und die Hochkonjunktur im deutschen „Wirtschaftswunder“ stark auf 220 Mitarbeiter an.

• 1969: Werkzeugbau, Verwaltung, Kantine und Empfang werden an die Fabrik angegliedert.

• 1973: Anbau des Spritzereigebäudes. Manfred Ros tritt als Kaufmännischer Leiter in das Unternehmen ein.

• 1976: Ros feiert sein 50-jähriges Bestehen.

• 1985: Ros investiert zwölf Prozent seines Umsatzes in neue Maschinen und Anlagen.

• 1987: Ros siegt im Wettbewerb „Ausbildungsbetrieb des Jahres“; zehn Prozent der Mitarbeiter sind Lehrlinge: Kunststoffformgeber, technische Zeichner, Werkzeugmacher, Energieanlagenelektroniker und Industriekaufleute.

• 1991: Einstieg in die Gasinnendrucktechnologie.

• 1994: Einstieg in die Mehrkomponententechnologie.

• 1994: Gründung der „Kunststofftechnik Ros“.

• 1997: Kauf der „Kunststofftechnik Schnitzler“.

• 1998 – 2002: Gebäuderenovierung und umfangreiche Umstrukturierungen.

• 1999: Stilllegung der Duroplast-Handpresserei.

• 2000: 300 Mitarbeiter; in der Produktion der Firmengruppe stehen 120 Spritzgießmaschinen.

• 2001: Bau der ersten Werkzeuge in der Etagentechnologie.

• 2001: Ros feiert sein 75-jähriges Bestehen.

• 2004: Ros erhält den TT-Preises des Gesamtverbands der Kunststoff verarbeitenden Industrie (GKV).

• 2005: Ros wird nach der Norm TS 16949 zertifiziert und erhält von der Firma Intier Automotive die Auszeichnung für Qualität und Zusammenarbeit als „Lieferant des Jahres“.

• 2006: Entwicklung des Mehrfachprägeverfahrens bei Duroplast-Werkzeugen.

• 2007: Verleihung des TT-Preises des GKV auf der Kunststoffmesse in Düsseldorf.

• 2008: Einsatz der ersten vollelektrischen Spritzgussmaschine.

• 2011: Das Flügelrad 04E ist das erstes Serienprojekt für einen OEM-Automobil.

• 2013: Zertifizierung nach den Normen DIN EN ISO 14001 & 50001.

• Anfang 2016: Erhalt des Auftrags Getriebegehäuse ESN light von Brose; es wird in den Werken Coburg und Ummerstadt produziert.

• 2016: Ernennung zum Key-Supplier von Brose und Einführung des Langglasfaser-Direktspritzgießens.

Credits:

Frank Wunderatsch

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