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Von der weiblichen Anatomie zur Topologie der Alpen

Eine barbusige Frau steckt zur Hälfte im Erdreich fest, rund um sie herum blühen Pflanzen, die Wurzeln eines Baumstrunks führen zu ihrer Hand. Ihre Haut ist in ein sanftes Blau getaucht. Auf ihrem Kopf trägt sie einen Helm, der ihr bis zum Nasenrücken reicht und ihre Sicht verdeckt. Der Helm gleicht einem Apparat, aus dem in den unterschiedlichsten Rot- und Orangetönen Blasen austreten. Dampfschwaden durchbrechen den schwarzen Hintergrund.

Bei der Frage, warum er häufig Frauenkörper zeichne, zeigt Frédéric Andres sein spitzbübisches Lächeln: «Als ich früher Monster zeichnete, wollten einige wissen, warum ich das mache.» Ihn habe damals das Morbide und Düstere fasziniert. Irgendwann habe er sich gesagt, er müsse mal einen Frauenkörper zeichnen können. «Ich finde Anatomie interessant und was gibt es schöneres als die weibliche Anatomie?», fragt er schmunzelnd. Beigebracht habe er sich das durch Video-Tutorials auf Youtube.

Seine Sujetwahl bleibt in seinem Umfeld nicht unbemerkt: Vor allem Frauen hätten ihm schon kritische Rückmeldungen gegeben. «Ein paar Mal wurden die schlanken, vermeintlich perfekten Proportionen kritisiert.» Kritik nehme er jedoch recht gelassen. Seinen Zeichnungen sieht man an, wie viel Wert er auf anatomisch realitätsgetreue Abbildungen legt. Und dann ist da der Sinn für Details wie Schatten, Schraffuren oder Tiefeneffekte. Dabei kombiniert er oft Elemente der Natur und Technik miteinander. Für Andres ist das aber nicht bloss ein Hobby: «Beim Zeichnen komme ich zur Ruhe.»

Wann genau Andres mit dem Zeichnen begonnen hat, wisse er nicht mehr so genau. «Ich zeichne, seit ich denken kann.» In eine Stilrichtung einordnen lassen möchte er sich dabei nicht: «Ich wüsste gar nicht, wie man das bezeichnen könnte, es ist mein eigener Stil», sagt Andres. Inspiration hole er sich aus Filmen und von anderen Künstlern. Zurzeit seien das unter anderem Kim Jung Gi und Karl Kopinski. Früher habe ihn auch HR Giger fasziniert. Interessante Gemeinsamkeit: Auch HR Giger stellte oft Frauenkörper dar.

Beim Zeichnen taucht der gebürtige Ustermer aus der realen Welt ab und kreiert seine ganz eigene. «Dabei kann ich gut entspannen und finde Ablenkung.» So faszinierend und auffallend seine Bilder sind, die Person Frédéric Andres wirkt wie der gute Kumpel von nebenan: nett, unauffällig gekleidet, unaufdringlich. Über sich selbst sagt er: «Ich halte mich für einen Nerd.» Dazu passt auch, dass er in seiner Freizeit gerne «Wikingerschach» spiele. Dieses Spiel, auch Kubb genannt, sei ein vor allem in Schweden und Belgien beliebtes Wurfspiel im Freien.

Stets habe ihn Kreativität in seinem Leben begleitet. Wegweisend war ein Rat seiner Eltern: «Nach Abschluss der Sekundarschule tat ich mich mit der Berufswahl schwer.» Seine Eltern hätten ihn nach dem 10. Schuljahr geraten, den «Gestalterischen Vorkurs» an der Zürcher Hochschule der Künste zu versuchen. «Die Aufnahmeprüfung habe ich prompt geschafft», sagt Andres.

Sein künstlerisches Talent hilft ihm bei der Arbeit als Motion Designer beim SRF: «Wenn ich eine Idee habe, kann ich diese kurz skizzieren und visualisieren.» In seinem Beruf stellt er verschiedenste Themen grafisch dar. Andres sagt: «Ich bin eigentlich ein Geschichtenerzähler und setze sie grafisch um.» Er glaube, dass Informationen visuell besser verarbeitet werden können: «Menschen mögen Animationen.»

Mittlerweile arbeitet er ein halbes Jahr beim Schweizer Fernsehen und hat sein erstes grosses Projekt realisiert. Für das Sommerformat Alpenreise hat er das grafische Konzept erarbeitet. «Eröffnungsszene, animierte Karten, die Tagebucheinblendungen – sämtliche grafischen Einblendungen habe ich entworfen», sagt Andres. Persönliches Interesse verbindet ihn nicht mit dem Projekt: «Das Thema habe ich mir nicht ausgesucht, das wurde mir so gegeben.» Auch wandern möge er nicht speziell. Für eine kleine Statistenrolle im Intro hat es dennoch gereicht.

Screenshot: SRF

Vor seiner Zeit beim SRF arbeitete Frédéric Andres für diverse Produktionsfirmen. «Nach meinem Abschluss an der Gestalterischen Schule PunktG ging ich für fünf Monate auf Weltreise und war danach während mehrerer Jahre als Freelancer tätig.» Der Zufall half: Unzählige Produktionsfirmen hat er per E-Mail angeschrieben, und wurde schliesslich von einer engagiert. «Sie wollten mich aber nur für ein Projekt», sagt Andres. Im Anschluss habe sich eine andere Firma, die seine Bewerbungsunterlagen bereits hatten, bei ihm gemeldet. Das ging so weiter: «Wiederum andere Unternehmen lernten meine Arbeit über mehrere Ecken kennen. Ich hatte mich langsam bewährt und so kam der Stein ins Rollen.» Eine intensive, stressige Zeit mit vielen Projekten sei das gewesen.

2015 kam der vorläufige Unterbruch, da Andres in den Zivildienst ging. «Ich musste während eines halben Jahres einige Aufträge ablehnen. Danach wurde es schwieriger, den Stein erneut ins Rollen zu bringen.» Einige Male sei er während der anschliessenden Durststrecke nervös geworden, habe sich aber immer über Wasser halten können.

Nach einer erneuten Auszeit, die er mit Reisen verbrachte, habe er beschlossen, wieder eine Festanstellung zu suchen. «Ich wollte wieder einen geregelten Tagesablauf haben und habe mich auf ein Stelleninserat beim SRF beworben.» Missen möchte er die Zeit als Freelancer nicht, hätten sie ihm doch wertvolle Erfahrungen gegeben: «Es ist schon eine spezielle Branche, der Umgangston manchmal etwas harsch. Aber ich habe die Abwechslung geliebt und konnte durch die vielen Engagements in diversen Firmen einiges lernen.»

Seit einiger Zeit arbeitet er an einem eigenen Animationsfilm: «Das Thema ist Lärm und seine Auswirkungen auf uns Menschen.» So viel wie möglich möchte er selber machen. «Die Bilder zeichne ich alle einzeln von Hand.» Seine Werke möchte Andres eines Tages in einer Vernissage ausstellen. «Das ist ein Traum, der noch in ferner Zukunft liegt.»

Text: Christian Reif, Fotos: David Kündig

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