Philippinen Ein Reisebericht

1. Tag – Das Abenteuer nimmt seinen Lauf.

Endlich war er da, der 01. Februar 2014. Endlich ging die Reise los, auf die ich aus mehreren Gründen unglaublich gespannt war. Schließlich wartete nicht nur mein erster Flug nach dreißig Jahren auf mich, sondern auch ein für mich neuer, unbekannter Kontinent und ein exotischer Archipel. Und natürlich würde ich auch endlich den Menschen persönlich kennenlernen, der letzten Endes der ausschlaggebende Grund für meine Reise war. Sieben Monate kannten Emma und ich uns zu diesem Zeitpunkt, aber bisher eben nur virtuell. Stets waren ein Computer, das Internet und Webcams notwendig, um miteinander in Kontakt zu treten. Doch nun würden wir uns endlich direkt in die Augen sehen und ohne technische Hilfsmittel miteinander kommunizieren können. So wunderte ich mich nicht, das ich an diesem Samstag vor lauter Aufregung bereits früh aufwachte. Am Flughafen trafen wir sehr pünktlich ein. Dass Gepäck war schnell aufgegeben und Dank des bereits am Vorabend durchgeführten Online-Boarding hatte ich nun noch jede Menge Zeit. Als ich dann endlich wieder in einem Flugzeug saß, wuchs die Aufregung spürbar. Nachdem alle Passagiere ihre Plätze gefunden und eingenommen hatten, das Gepäck verstaut und die obligatorischen Sicherheitshinweise erklärt waren, ging es los. Die Boeing 777-300ER nahm mit erstaunlicher Beschleunigung Fahrt auf. Der Moment, indem sich der stählerne Riesenvogel in die Luft erhob, war genial. Von meinem Fensterplatz auf der rechten Seite konnte ich den Flügel samt Triebwerk sehen.

Ebenfalls faszinierend war, wie schnell sich der Flieger in die Höhe stemmte, bis die endgültige Flughöhe von etwas mehr als 10.000 Metern erreicht war und wir uns mit ca. 870 km/h Dubai näherten. Je mehr sich der Flieger von Deutschland entfernte, desto größer wurde die Vorfreude und die Gewissheit, dass drei sehr interessante Wochen vor mir lagen. Der Flug von Frankfurt nach Dubai war sehr kurzweilig, die 6 Stunden Flugzeit erschienen mir gar nicht lang, auch dank dem Entertainment-System im Flieger. Unter anderen sah ich mir den hochinteressanten und sehr empfehlenswerten Film "Heute bin ich blond" an.

Der Landeanflug in Dubai war klasse. Da wir etwas zu früh dran waren, musste der Flieger eine Ehrenrunde über das nächtliche, hell erleuchtete Dubai drehen, wofür ich dankbar war. Einfach Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie es hier noch vor zwanzig Jahren aussah...

Heute jedoch bietet sich von soweit oben ein Anblick, der einem Kunstwerk gleicht. In der schier unendlichen Weite der Wüste fanden sich immer wieder Oasen, deren abertausende Lichter die Dunkelheit durchbrachen. Und zwischen all diesen Oasen schlängelten sich taghell erleuchtete Straßen wie Adern durch die Dunkelheit.

Die Landung klappte vorzüglich. Nun hatte ich noch ca. 4 Stunden Aufenthalt, ehe es dann ebenfalls mit Emirates Airlines weiter auf die Philippinen Richtung Clark Airport ging. Im Gegensatz zum Flug nach Dubai saßen viel mehr Filipinos im Flieger, was natürlich nicht sehr verwunderlich war. Ansonsten sah ich eine Handvoll Touristen wie mich und auch das ein oder andere gemischte Paar, die Frau philippinischer Abstammung, der Mann aus dem Westen kommend. Während der nun folgenden acht Stunden Flugzeit kämpfte ich doch etwas mit der Müdigkeit und döste eine Weile vor mich hin. Richtig schlafen konnte ich aber nicht. Nach dem Landeanflug ging auch die Einreise völlig problemlos und Emma war im Getümmel der Wartenden schnell gefunden. Ihre Schwester Luzviminda (steht für die drei größten Inseln der Philippinen, nämlich Luzon, Visayas und Mindanao, gerufen wird sie aber einfach Luz) und ihr Schwager Romeo begleiteten sie. Zuerst wurde das Gepäck erfolgreich im Mazda 323F verstaut. Irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl, viel zu viel dabei zu haben. Dann ging es los auf die gut zweistündige Fahrt nach San Isidro in Nueva Ecija. Mir fielen sofort die vielen Jeepneys auf.

Nicht alle waren so pompös und bunt lackiert, wie man es gewöhnlich auf den zahlreichen Abbildungen sieht. Es gab auch Jeepneys, deren Vorderwagen nicht mehr vom Jeep stammte, sondern von modernen Autos meist asiatischer Herkunft.

Jose Abad Santos Avenue, San Isidro, Philippines

Auch jede Menge Tricycles waren unterwegs. Es gab sie in den unterschiedlichsten Ausführungen für nahezu jeden Verwendungszweck. Trotzdem sind die normalen, eigentlich für den Personentransport ausgelegten immer noch am flexibelsten und werden teilweise als kombinierte Personen- und Lastentransporter eingesetzt.

Beim Anblick des riesig anmutenden Bettgestells, das auf einem Tricycle befördert wurde, dürften sich deutschen Polizisten nicht nur die Nackenhaare aufstellen, sondern auch die Zehennägel kräuseln...

Und was die phantasievolle Beleuchtung der ganzen Gefährte angeht, egal, ob Moped, Tricycle oder Familienkutsche, würden deutsche TÜV-Prüfer Alpträume bekommen. Generell müssen sich Tricycle-Lenker oft anhupen lassen. Dies soll wohl eine Warnung darstellen und den Fahrer darauf hinweisen, das er überholt wird. Und wenn Feindkontakt unerwünscht ist, sollte er sich jetzt lieber am rechten Straßenrand orientieren. Entlang der Straße gab es bereits ein tolles Potpourri philippinischer Lebensart. So ziemlich alles war zu finden, von einfachen Hütten bis zu den typischen Verkaufsständen, die verschiedene Gerichte direkt aus dem Topf anbieten. Von diversen Tankstellen bis zu Bastlerwerkstätten, die die faszinierendsten Tricycles kreierten. Ebenso waren recht moderne Supermärkte sowie immer wieder Kirchen verschiedener Größe, Konfession und Ausschmückung zu sehen. Bei vielen Anwesen sah man, das sie zwar nur einfach gebaut waren, aber doch viel Improvisationstalent drin steckte. Manchmal war es total faszinierend, was sich alles als Baumaterial eignet. Auch Bäume haben hier scheinbar einen höheren Stellenwert als in Deutschland. Während bei uns Bäume, die einem Bauwerk im Weg sind, einfach gefällt (und zumindest manchmal durch Ersatzpflanzungen ersetzt) werden, baut man hier eher im wahrsten Sinne drumherum. Ich habe mehrere Häuser gesehen, deren Vordächer die vor dem Haus stehenden Bäume vollständig umschlossen, so als wäre der Baum einfach durch das Dach hindurch gewachsen. Unterwegs hielten wir noch an, um direkt vom Feld Wassermelonen mit gelbem und rotem Fruchtfleisch zu kaufen. Die gelben wurden uns auch prompt zum Probieren angeboten (ein recht großes Stück wohlgemerkt, nicht wie in Deutschland üblich ein mundgerechtes Mini-Häppchen) und konnten wahrlich überzeugen. Sehr lecker und sehr saftig, eine Wassermelone, die ihren Namen wert war. Mein freundliches „Salamat“ als Dank dafür schien gut angekommen zu sein. Die abgenagten Schalen landeten einfach auf dem Boden und weiter ging es. Bei Emmas Bruder Pong angekommen, hielten wir vor einem kleinen, einfachen Haus mit einer einladenden Veranda.

Man bat mich, Platz zu nehmen, während mein Gepäck reingetragen wurde. Ein Glas Wasser war schnell für mich geholt und auch ob ich hungrig wäre, wurde gleich gefragt. Doch Hunger hatte sich vor lauter Aufregung noch nicht eingestellt. Emmas Familie war recht zahlreich erschienen an diesem Sonntag. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es am Sonntag immer so ist, da die Filipinos ausgesprochene Familienmenschen sind, oder ob dieser weitgereiste Gast etwas damit zu tun hatte. So konnte ich dann gleich am ersten Tag die Bekanntschaft mit bereits fast allen Familienmitgliedern machen. Apropos Gastfreundschaft, mir wurde extra ein Einzelzimmer hergerichtet, während der Rest der Familie zusammenrückte und sich die anderen beiden Schlafzimmer teilte.

Auch Bettwäsche, Handtücher, Seife, Moskitonetz, ja sogar Zahnbürste und Zahnpasta standen für mich bereit. In dieser Hinsicht war es wie im Hotel. Wir saßen eine Weile draußen zusammen und es wurde viel gelacht. Die Tatsache, dass ich in der Landessprache Tagalog bis zehn zählen konnte, erfreute alle und brachte mir sogar spontanen Applaus ein. Auch eine in verschiedenen Quellen beschriebene Eigenheit fiel mir sofort auf. Filipinos zeigen nur selten mit dem Finger auf etwas, stattdessen spitzen sie die Lippen und deuten mit dem Kopf in die entsprechende Richtung. Irgendwie interessant und witzig. Und noch etwas fiel mir positiv auf. Obwohl ich bereits aufgrund der sommerlich warmen Temperaturen von 30 Grad tagsüber und immer noch angenehmen 20 Grad nachts an Armen und Füßen nackte Haut zeigte, hatte ich noch keinen Mückenstich bemerkt. Ganz anders als in Italien, wo ich stets nach kürzester Zeit total zerstochen worden war.

Das Haus selber war recht einfach gehalten. Über die Veranda ging es hinein in einen langen, schmalen Raum, der gleichzeitig als Flur, Wohn- und Esszimmer diente. An der rechten Längsseite schlossen sich drei Schlafräume an, wobei der mittlere für mich reserviert war.

Pong´s house
Pong´s house
Pong´s house

Am Ende des Wohnzimmers ging es in die Küche und von dort aus in das Bad. Erstere war mit offenen Fenstern ausgestattet, die einfach mit Drahtgitter versehen waren. Und im kleinen Bad fand sich ein modernes Wasserklosett. Zusätzlich stand eine kleine Handbrause neben dem WC zur Verfügung, um bei Bedarf das Gesäß richtig waschen zu können. Die Alternative dazu gab es in Form eines großen, mit Wasser gefüllten Eimers, in dem sich ein großer Becher mit Henkel befand, mit dem man seinem Hinterteil reinigende Wassergüsse zuteil werden lassen konnte. Aber normales Klopapier war auch noch vorhanden. Eine Dusche und ein kleines Waschbecken komplettierten das Bad. Das Haus hatte ein Satteldach, das mit leicht lichtdurchlässigen Kunststoff-Wellplatten gedeckt war. Die Zimmerwände waren lediglich raumhoch gemauert und die Zimmer somit nach oben offen, so das man den hölzernen Dachstuhl sehen konnte. Der Verzicht auf Zimmerdecken verbessert das Klima im Haus beträchtlich, allerdings ist Privatsphäre dadurch eher weniger gegeben. Aber die Filipinos sind ja wie gesagt ausgesprochene Familienmenschen. Und irgendwie ist es auch interessant, denn man schaut vom Bett aus durch das Moskitonetz direkt auf das transluzente Dach und der Mond und die Sterne sorgen für ein natürliches Dämmerlicht. Auch sonst war die Ausstattung eher einfach gehalten, die Wände waren nur verputzt, auf dem Boden lediglich Estrich eingebaut und das war es. Aber es gab Gardinen vor den Fenstern im Wohnzimmer. In meinem Zimmer fand sich noch einen weiterer Beweis für den hohen Stellenwert der Familie. Fotos der inzwischen verstorbenen Eltern waren hier auf einem kleinen Eckregal als Andenken aufgestellt. Hier werden dem katholischen Glauben folgend zu besonderen Anlässen wie Feiertage Kerzen angezündet.

Nachdem sich bei mir die erste Aufregung ein wenig gelegt hatte, meldete sich auch mein Magen. Und ich wurde sogar gleich zweimal lecker verköstigt. Das erste Mal mit Spaghetti Bolognese auf philippinischer Art, eins von Emmas Lieblingsessen. Für die Bolognesesauce werden oft Würstchen statt Hackfleisch verwendet. Und später sind Emmas Bruder und einige ihrer Nichten extra noch mal in die Nachbarstadt Gapan gefahren, um mir ein gegrilltes Hühnchen zu besorgen, dass sehr lecker mariniert war. Dazu gab es Reis mit süß-saurer Soße. So wurde mir bereits am ersten Abend klar, das ich hier definitiv nicht verhungern würde.

Nachdem die anderen schon im Bett waren, da sie im Gegensatz zu Emma und mir am nächsten Morgen, ein Montag und Wochenanfang, wieder zeitig aufstehen mussten, haben wir uns noch eine ganze Weile gut unterhalten. Obwohl wir uns an diesem Tag das erste Mal persönlich begegnet waren, war sofort diese Vertrautheit da, die durch den nahezu täglichen Kontakt über das Internet in den vergangenen sieben Monaten seit unserem Kennenlernen bereits auf einem guten Fundament gründete. Wir genossen es, das erste Mal Zeit für uns alleine im direkten Austausch zu haben und ich hatte absolut keine Zweifel, dass drei sehr schöne Wochen vor mir liegen sollten.

Es war schon recht spät, als wir uns zum schlafen zurückzogen. Doch obwohl ich seit fast 40 Stunden wach war, abgesehen von dem bisschen Dösen während des zweiten Fluges, fand ich keinen Schlaf. Erst, als ich meine Erinnerungen so detailliert wie möglich in mein Smartphone getippt hatte, übermannte mich die Müdigkeit. Selbst das monotone Rattern des Ventilators im Nebenzimmer sowie das deutlich hörbare Konzert der Hühner und Hunde draußen konnten mich schlussendlich nicht mehr vom wohlverdienten Schlaf abhalten.

Created By
Michael Reiss
Appreciate

Credits:

All pictures by myself.

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