Die Kamera ist eine Ausrede, um an einem Ort zu sein, an welchen du sonst nicht hingehörst. Es gibt mir sowohl einen Verbindungspunkt, als auch eine Abgrenzung. (Susan Meiselas)
Seit Jahren fotografiere ich Musiker, Schauspieler und Musical-Darsteller auf der Bühne. Eine faszinierende Welt, zu der ich ohne Kamera keinen Zugang hätte. In vollem Kostüm und Make-up - mit viel Spielfreude, umschmeichelt von Licht und Ton und getragen von der einzigartigen Energie eines Live-Erlebnisses sind Motive voller Emotionen und Energie entstanden. Sie sind aber allesamt durch die unsichtbare vierte Wand aufgenommen und zeigen die Figur, die ein Künstler erschaffen hat. Aber nie den Künstler selbst.
Näher ran
Wann verlässt die Figur den Künstler und nimmt sie jedes Mal wieder alles mit oder lässt sie immer ein Stückchen zurück? Nur getrennt von einem Stück Stoff sind die Künstler "backstage" plötzlich wieder privat. Was passiert also hinter dem Vorhang - in dieser Zwischenwelt? In den Momenten in denen die Kunstfigur den Menschen verlässt und ihn erschöpft, euphorisch, in alle Richtungen emotional zurück lässt, bewegt sich mein Foto-Vorhaben.
Wenn der Vorhang geschlossen ist, der Schauspieler noch in Kostüm und Make-up, aber langsam wieder zur Person wird. In den Momenten in denen noch letzte Fünkchen des auf der Bühne dargestellten glühen, möchte ich ein Foto machen.
Ziel ist es, aus den Fotos ein Buch zu machen - ggf. mit ein wenig Text der abgebildeten Personen. Derzeit gehe ich davon aus, dass ich die Fotos innerhalb der nächsten zwei Jahre - also bis Ende 2021 - machen werde. Wenn sich danach noch spannende Dinge ergeben, auch länger.
Voraussetzungen
Um ein solches Foto machen sind ein paar Dinge notwendig, über die man sich vorher klar sein und austauschen muss:
- Vertrauen - einlassen in die Komfort-Zone
- Zugang zum Backstage-Bereich einer Produktion während der Show
- gemeinsame Überlegungen was mit der jeweiligen Figur umsetzbar ist (Motiv, an welcher Stelle der Show usw.)
- Zustimmung zur Veröffentlichung der/des Foto(s) in Web und Print
Ideen und Möglichkeiten
Je nach Figur und Art des Stückes ergeben sich ganz unterschiedliche Ansätze die Kontraste zwischen Bühnenfigur und Schauspieler zu zeigen. Dramatische Stücke bieten vielleicht mehr Emotionen, Stücke mit aufwendigen Kostümen/Masken bringen ganz andere Fotos - auch der Backstage-Bereich an sich oder der Schauspieler kann mit seinen Eigenarten die Situation "brechen" und einen Kontrast bieten. Was das sein kann, gilt es mit jedem Künstler herauszufinden.
- aufwändige Maske zurückbauen
- Rituale (vor, während, nach der Show)
- Verpflegung
- „kaputtes“ Kostüm/Make up
- Abschminken
- Erschöpfung
- Emotionsreste
- Tristesse hinter dem Vorhang
- Zwischenwelt (Vorhang/Bühne)
- Poster/Plakate
- usw.
Offenlegung und Erklärung
Der Ansatz ist nicht völlig neu. Ich war 2011 in einer Foto-Ausstellung von Margarita Broich ("Wenn der Vorhang fällt") in Berlin die mich bis heute fasziniert. Sie ist selbst Schauspielerin und hat ihre Kollegen porträtiert. In eben jenen Momenten, da sie aus ihrer eben gespielten Rolle von der Bühne zurückkehrten. Auf fast all diesen Momentaufnahmen schaut die Person in die Kamera. Das möchte ich nicht zwingend tun. Mir geht es eher um den beobachtenden - möglicherweise unbemerkten - Einblick und nur in Ausnahmefällen um den direkten Blick in die Kamera.
Peter Harbauer ‧ ph_otografie@web.de ‧ 0171 4882749