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Hurra, wir leben noch! Wenn die Realität in der ehemals streng geheimen Nuklearraketen Anlage alle Bond Filme übertrifft!

Der Besuch einer ehemaligen sowjetischen Raketenstation in der Ukraine lässt einem jetzt, Jahre nach dem kalten Krieg bewusst werden wie knapp die Welt am Abgrund war.

Der tonnenschwere Deckel hätte sich innerhalb von 8 Sekunden geöffnet !

Im Rahmen der Fotoexpedition der LIK Sommerakademie Fotografie 2018 hatte ich die Gelegenheit in dieser Kommandostation zu fotografieren.

Der Geheimbunker liegt in der ukrainischen Einöde, ehemals getarnt als Wetterstation, gesichert durch Wachposten und Sperrzäune mit 3000 Volt. Zehn Atomraketen wären im Ernstfall von dort aus Richtung Westen geschickt worden. Ein zu nahe kommen, wäre früher tödlich gewesen, heute werden Touristen durch die Basis geführt.

Elena erklärt eine lasergesteuerte Rakete

Elena ist Lehrerin im nächstgelegenen Ort und führt in ihrer Freizeit Touristen durch die Anlage.

Zehn Atomraketen wären dann von der Basis Perwomaisk Richtung Westen gestartet. Tausende weitere wären auf anderen Stützpunkten gezündet worden. Die ehemalige Atomraketenbasis Perwomaisk liegt 300 Kilometer südlich von Kiew. Der Stützpunkt ist einzigartig, denn er ist für Touristen geöffnet. Von den Silos bis zum unterirdischen Kommandobunker, alles sieht noch so aus wie zu Sowjetzeiten. Die Atomraketen sind längst abgerüstet.

Nuklearraketen waren auch auf Zügen unterwegs

Die Gegend um Perwomaisk wirkt wie ausgestorben. Wind pfeift über die Felder, es gibt keine Dörfer in der Nähe, die nächste Stadt Kirowograd ist sechzig Kilometer weit entfernt. Eine schmale Straße führt von der Landstraße auf die Raketenbasis. Auf jeder Basis gab es einen Befehlsstand und einen Raketensilo. Im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern waren neun weitere Silos in der Erde vergraben.

Wo die sowjetischen Basen lagen, war ein streng gehütetes Geheimnis. Elena geht in eine Baracke und zeigt auf eine Landkarte. Zu sehen sind sowjetische Raketenstützpunkte in der Ukraine. "Sechs Basen und neunzig Silos waren über das ganze Land verteilt", berichtet sie. Jede Basis bekam einen Decknamen, Perwomaisk hieß zum Beispiel "Taimen". Um Neugierige fernzuhalten, war Perwomaisk als harmlose Wetterstation getarnt. Wer dennoch näher herankam, wurde von drei Sicherheitsanlagen aufgehalten. Besonders abschreckend war ein 3000 Volt starker Elektrozaun. "Schon in der Nähe des Zauns wäre man verbrannt", sagt Elena.

3000 Volt

Im Dezember 1959 gründete die Sowjetunion die Strategischen Raketentruppen und rüstete sich zur Atommacht auf. Die ersten Raketen in Perwomaisk waren vom Typ R-12 und hatten eine Reichweite von 2080 Kilometern. 1962 ließ Nikita Chruschtschow dieselben Raketen auf Kuba stationieren und löste damit die Kuba-Krise aus. Von Kuba aus hätten die Raketen in wenigen Minuten Washington erreicht. Die Zielgenauigkeit der R-12 hatte die Armee zuvor geprüft. Der Test trug den Namen "Operation Rose". "Man rüstete die Raketen mit einem leichten Atomsprengkopf aus und brachte sie nach Workuta in Sibirien", berichtet Elena. Von dort aus wurden sie auf die Insel Nowaja Semlja abgefeuert. "Die Raketen waren bis auf 40 Meter zielgenau." Aber die R-12 hatte einen Nachteil. Sie musste vor dem Start aufgetankt werden, was zweieinhalb Stunden gedauert hätte. Deshalb wurde die R-12 Mitte der sechziger Jahre von der UR-100 abgelöst. Diese war sofort startklar.

Raketensilo mit Sensoreinheit

Die genauen Ziele der Atomraketen waren streng geheim. Dass aber auch Ziele in Europa und Westdeutschland dabei waren, lässt sich ahnen.

Der unterirdische Gang führt zum Siloschacht der Kommandozentrale.

Auf dem Stützpunkt steht ein unscheinbares Betonhäuschen. Der Eingang zur unterirdischen Schaltzentrale, wo die Atomraketen abgefeuert worden wären. Elena öffnet die Tür und steigt eine zwei Meter lange Leiter hinab. Sie führt zu einem schmalen Tunnel. Nach 200 Metern endet der Tunnel an einer Schleuse, die mit zwei dicken Stahltüren gesichert ist. "Die beiden Türen hätte man nur mit einem Zugangscode öffnen können." Hinter der Schleuse wartet ein winziger Fahrstuhl, in den gerade so drei Leute hineinpassen. Elena drückt den Schalter und es geht 45 Meter abwärts.

Die Aussenwände des Silos waren mit Eis heruntergekühlt.

Der Fahrstuhl hält direkt in der Kommandozentrale. Die ist vollgestopft mit Technik und erinnert an ein Raumschiffcockpit. Unter der Schaltzentrale befindet sich ein zweiter Raum mit Schlafkojen. Auf der Basis waren sechs Offiziere stationiert, die das Kommandopult bedienen konnten. In Friedenszeiten hatten jeweils zwei Offiziere Dienst. Nach sechs Stunden wurden diese abgelöst und bekamen zwölf Stunden Pause. In Kriegszeiten wären alle sechs Soldaten in den Bunker abkommandiert worden. Drei hätten am Schaltpult gesessen, drei hätten sich in den Kojen ausgeruht.

Nur beide Offiziere gleichzeitig hätten die Raketen zünden können. Dazu hätten sie mit der linken Hand den Startknopf gedrückt gehalten. Mit der rechten Hand hätten sie die Zündschlüssel gegen den Uhrzeigersinn um 90 Grad drehen müssen.

Hitze und Radioaktivität Sensoren hätten auch einen automatischen Abschuss ausgelöst.
Blick in den Aufzugschacht

Nach dem Abschuss hätte die Mannschaft nur noch warten können. Selbst bei einem Treffer von gegnerischen Atomraketen hätte der Bunker standgehalten. Vierzig Tage hätten die Offiziere in totaler Isolation überleben können. Es standen Notrationen bereit, sogar eine Mikrowelle gab es im Bunker. Nach Verbrauch der Vorräte wären die Soldaten in ein Rohr gekrochen und in einer Luftdruckkapsel nach oben geschossen worden. Oben hätten sie sich Schutzanzüge übergezogen und wären in die verstrahlte Gegend hinausgegangen. Gottseidank ist der Welt dieses Szenario erspart geblieben.

Am 24. August 1991 wurde die Ukraine unabhängig. Zu dieser Zeit besaß das Land noch 176 Atomraketen. Die Waffen wären bis 2015 einsatzbereit gewesen. Auf Drängen der USA und der Europäischen Union rüstete die Ukraine ihre Raketen ab. Seit 2001 ist sie ein atomwaffenfreier Staat.

Die ehemalige Raketenbasis ist eines der fotografischen Ziele der Fotoexpedition der LIK Akademie für Foto und Design nach Kiev und Tschernobyl.

Alle Fotos und Film: Eric Berger

Die nächste Fotoexpedition nach Kiev, Tschernobyl und zur Taimen Raketenstation finden Sie hier:

Created By
Eric Berger
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Credits:

Fotos: Eric Berger

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