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Jugendarbeit in Westenfeld in den 1930er Jahren Marianische Jünglingssodalität - Ein bericht von Stephan Kemper

14. April 1929 - Gründung und Fahnenweihe der Marianischen Jünglingssodalität

Die Basis der Jugendarbeit in Westenfeld war damals die am 14. April 1929 gegründete Marianische Jünglingssodalität.

Das noch vorhandene Protokollbuch hat der Heimatverein „Blickpunkt Westenfeld“ mittlerweile aus der Sütterlin-Schrift übertragen, digitalisiert und archiviert.

Der Gründungsfeier war schon ein kurzes Kapitel der Deutschen Jugendkraft (DJK) vorausgegangen. Diese Vereinigung, die bereits seit 1924 bestand und deren Leiter der hiesige Lehrer Anton Knoche war, ging später in die Sodalität über. Sie unterhielt eine Sportabteilung, eine Gesangabteilung und einen Mandolinenklub, sie beteiligte sich an der Errichtung des Osterfeuers und spielte Theater.

Der Mandolinenklub um 1930

Die Vereinsgründung hatte stattgefunden, einer der Befürworter war Pater Aug. Groos, der als Missionar aus dem Kloster „Haus Nazareth" in Wanne-Eickel vertretungsweise in Westenfeld tätig war. Den Vorstand der Sodalität bildeten ein Präfekt, der Kassierer und der Schriftführer, dazu kamen zwei Assistenten.

Eine Vereinsgründung dieser Art konnte jedoch nur genehmigt werden, wenn die Stelle des Ortsgeistlichen fest besetzt war. Es entstand somit ein Problem, das erst viel später gelöst werden konnte, nämlich die offizielle Anerkennung und Aufnahme in die Hauptkongregation in Rom.

Das Bischöfliche Generalvikariat in Paderborn schickte den Aufnahmeantrag vom 27. Januar 1929 zurück. In der Pfarrchronik finden wir den Vermerk: „Dieses Gesuch wurde abschlägig beschieden mit den Worten: Wir ersuchen, den Antrag wieder vorzulegen, wenn die dortige Pfarrvikariestelle wieder besetzt sein wird. Der Verein ist somit ungültig in seiner Gründung".

Laut Protokoll der Sodalität vom 13.10.1932 wurde endlich die Genehmigung des Bischofs erteilt, womit der Anschluß an den Kath. Jungmännerverband Deutschlands bestätigt war.

Zur Fahne der Sodalen steht geschrieben: Die Fahne ist angefertigt worden in der Kunstwerkstatt für Fahnen und Paramente des Herrn Johannes Trompeter, Gelsenkirchen. Die Hauptseite, aus blauem Fahnensamt, trägt das Bild des hl. Aloysius mit Lilienverzierung. Sie trägt die Inschrift: „Rein in der Jugend - ein Vorbild der Tugend“. Die Ecken tragen die Symbole „Glaube, Hoffnung und Liebe", die zehn Gebote, Freundschafts- und Christuszeichen. Die Rückseite besteht aus elfenbeinfarbiger Seide. In der Mitte steht das Vereinsabzeichen „Tapfer und Treu", von einem Lorbeerkranz umgeben. Zur Fahne gehören drei Schärpen (blauer Samt und elfenbeinfarbige Seide), eine nußbaumpolierte Fahnenstange mit Messingspitze und Verschraubung, ein Fahnentragkoppel aus Lackleder, ein Fahnenüberzug aus schwarzem Wachstuch, eine Trauerschleife, eine Fahnenquaste in Seidendrell und eine Schutzhülle aus weißem Nesseltuch. Ferner 3 Barette aus blauem Samt mit weißen Straußfedern. Gesamtkosten: 540,- RM.

Bild 3: Rechts die Fahne, über deren Verbleib es keine Aufzeichnungen mehr gibt, links die Fahne der Jungfrauenkongregation (an Weihnachten in der alten Westenfelder Kirche)

Vom Gründungstag wird überliefert: Ein Festtag, einzig in seiner Art. Gründung des Jünglingsvereins und Fahnenweihe zugleich waren Ursache, daß dieser Tag zu einem unvergesslichen wurde für Westenfelds Jugend. Mittwoch, Donnerstag und Freitagabend 8.30 Uhr fanden Predigten und Andachten statt zur Vorbereitung der Jünglinge auf diesen großen Tag ...

Aus Gevelsberg und Stift Kappel, der Heimat des Paters, waren Gäste gekommen. Um 8.30 Uhr bewegte sich ein herrlicher Fackelzug der Jugend zur Hardt. Donnernd rollten die Böllerschüsse durch unser stilles Tal. Oben angekommen, wurde zur Eröffnung der Feier das Verbandslied ‚Tapfer und Treu' gesungen. Ein riesiges Feuer ist abgebrannt worden. Dazu hatte man Gedichte und Lieder vorgetragen.

Sonntag 7.15 Uhr war Frühmesse und Generalkommunion der Jünglinge. Wohl nie sah unsere Gemeinde eine solch stattliche Anzahl Jungens geschlossen zur Hl. Kommunion gehen. In feierlicher Prozession zog man um 2 Uhr zur Abholung der Jünglinge und der neuen Fahne, die zerlegt und verhüllt von Engelchen getragen wurde. Die Sonne lachte am Himmel und die Böllerschüsse krachten erneut. In der Kirche vollzog sich nun in der bekannten Weise die Aufnahme der Mitglieder in die Marianische Sodalität. Als die Hülle von der Fahne abgestreift war und die Fahne zum ersten Mal in der Kirche hochging, erscholl mit Begeisterung wiederum das Verbandslied.

Quervereis: Nachdem die Nazis die Jünglingssodalität verboten hatten, gab es um die Vereinsfahne noch viel Aufregung im Dorf. Die Polizei war erschienen und hatte den Fahnenschrank versiegelt. Als am anderen Tage das „staatsgefährdende Stück" abgeholt werden sollte, war es verschwunden. Ein paar Jungen hatten das Siegel ignoriert und die Fahne entwendet und in einem Haus in Bainghausen im Heu versteckt. Es gab großen Wirbel. Der Vorsitzende und der Fähnrich wurden verhaftet und nach Freienohl ins Amtsgefängnis eingeliefert. Der damalige Kassierer konnte sich der Festnahme entziehen, indem er sich in einem leeren Wasserbunker auf einer Viehweide versteckte. Die Angehörigen bemühten sich zunächst vergeblich um Freilassung der Jungen. Aber die Polizei blieb hart, sie wollte erst die Fahne. Um die Freilassung zu erwirken, gaben die „Fahnenentführer“ schließlich auf. Der Vikar war eingeweiht. Er ließ in der Nacht ein vergittertes Turmfenster der Kirche offen und anderntags lag die Fahne eingerollt in der Kirche. Das „Wunder" wurde der Polizei gemeldet und die Fahne nach Freienohl gebracht. Die Machthaber hatten ihren Willen durchgesetzt, aber wenigstens kamen die Inhaftierten wieder frei.

Fussballmannschaft nach einem Spiel in Oeventrop 1932

Weitere Stichpunkte aus den Protokollen:

Mitgliedsstand im Januar 1931: 66 Mitglieder, davon 18 Jugendliche und 7 Ehrenmitglieder.

Kassenbericht vom 14. Januar 1932: Den Ausgaben von 387,65 RM standen Einnahmen von 243,03 RM gegenüber. Bestand: 149,26 RM.

Der politische Druck wurde allmählich fühlbarer. Durch besondere Vorträge wurden die Jungmänner aufgeklärt. So heißt es im Protokoll der Versammlung vom 9. Juni 1932: Unser Hochwürden Herr Präses gab nähere Erläuterungen über akute parteipolitische Fragen, insbesondere über Wesen und Ziele der Nationalsozialisten und Kommunisten. Es ist endlich an der Zeit, daß wir katholischen Jungen und Jungmänner erwachen und durch öffentliche Aktionen zeigen, daß wir uns gegen die Machenschaften einer derartigen Parteipolitik sträuben, daß wir sie mit allen zur Verfügungen stehenden Mitteln bekämpfen…

Mit der Durchführung sogenannter Sturmtage wollten die Sodalen bekunden, daß auch im Jungmännerverbande noch Leben herrscht, und daß sie sich auch weiterhin für die Verwirklichung der kath. Idee einsetzen werden.

Ein solcher Sturmtag fand u.a. am 17. Juli 1932 bei der Vogelstange unter der Hardt statt. Nach einem Zeitungsbericht hatten alle Mitglieder an der Sonntagsandacht teilgenommen, waren dann unter Vorantritt der inzwischen gegründeten Mandolinenabteilung zur Hardt marschiert. Dort hörte man Reden und Gedichte und die ebenfalls schon ins Leben gerufene Gesangsabteilung trug ihre Lieder vor.

Im Protokoll vom 13. Juni 1933 heißt es, daß man nun auch im Geländesport aktiv werden will. Es wird ferner vermerkt, daß in Westenfeld noch kein Jungmann der SA oder SS angehört, was dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Jugend im Ort zuzuschreiben sei. Es meldeten sich 25 Sodalen für den Geländesport.

Inzwischen war am Ort auch die Hitler-Jugend auf den Plan getreten, so daß die anfängliche Teilnehmerzahl nicht mehr erreicht wurde. Es wurde zudem bemängelt, daß die gewohnte Beteiligung an der gemeinschaftlichen Kommunion nachließ.

Laut Eintragung vom 10. November 1934 im Protokollbuch:

„Christus ist unser König und geistiger Führer, ihm folgen wir, ihm bleiben wir treu. Dabei arbeiten wir tatkräftig mit am Aufbau unseres neuen Staates". Mit diesen Worten, so steht da, überreichte der Präses dem Präfekten die Urkunde über die Aufnahme des Vereins in den Jungmännerverband Deutschland. Es hatte also vom Schreiben des Bischofs bis zum Erhalten besagter Urkunde doch recht lange gedauert.

Ende 1934 hatte der Verein nur noch 47 Mitglieder. Am 7. 2. 1935 waren 635,45 RM in der Kasse.

Der Jungmännerverein beteiligte sich aktiv am Anbau der Kirche und stiftete die mittlere der drei Glocken, zusätzlich stellte man 400 RM für die kleine Glocke zur Verfügung.

In der Folgezeit sind die Versammlungen nur noch schlecht besucht worden. Zu den üblichen Vorträgen ist es kaum noch gekommen.

Dieser Zusammenschluss der Jungmänner bestand bis ins Jahr 1938, wurde dann jedoch unter dem Vorwand des § 1 der Nazi-Verordnung „Zum Schutze von Volk und Staat“ verboten.

Im Dezember 1932 sei ferner die Gründung der Jungfrauenkongregation vorgenommen worden.

Die Jungfrauenkongregation im Jahr 1934

Quellen:

Protokollbuch der Marianischen Jünglingssodalität

Klemens Teipel: Westenfeld, eine Landgemeinde im Wandel der Zeit

Blickpunkt-Archiv